Nicht zum ersten Mal lief Osthato aufgeregt, in Gedanken versunken durch die Straßen und Gassen einer Stadt. Seine alten, grauen Zellen arbeiteten auf Hochtouren doch wollten sie nicht so wirklich zu einem Ergebnis kommen. Vor seinem inneren Auge manifestierte sich wieder und wieder die arabische Flagge. Wie so oft davor lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken.
Er spürte ganz deutlich das er hier in ein größeres Ereignis geraten war. Ein Ereignis von dem er eigentlich gar nichts wissen wollte. Ein riesiges Puzzle von dem er gerade mal die Verpackung kannte.
Unbewusst lenkte Osta seine Schritte in Richtung Kirche. Immer noch versunken in wildeste Spekulationen bemerkte er die ansteigende Hitze und den leichten Rauch in der Luft erst sehr spät. Weit konnte es nicht mehr sein, Ostas Unruhe war geweckt. Wo kam nur diese, auf ein noch größeres Maß, angestiegene Hitze her?! Die Sonne musste in diesem Augenblick als roter Punkt am Horizont zu sehen sein und doch war es heißer als zu Mittagszeiten. Und auch dieser Rauch konnte nur…..konnte nur von einem riesigem Feuer stammen.
Ein Feuer!
Osthatos Schrittfrequenz erhöhte sich merklich, die Gedanken in seinem Kopf waren zur Seite geschoben. Er wusste nur zu genau, dass sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten würden; das Bild in seinem Kopf zeigte ihm eine brennende Kirche und genauso kam es, als er um die letzte Ecke bog und auf den kleinen Platz trat.
Das Feuer hatte bereits ganze Arbeit geleistet, die Kirche war nicht mehr zu retten, doch was Osthato wunderte, es gab weder Schaulustige, noch Helfer, die versuchten ihre Kirche zu retten. Nur die Flammen, die höher und höher in den Himmel stiegen.
Der Alte wusste nicht wo er seine Hoffnung hernahm, doch er hätte schwören können, dass es in diesem Gebäude noch Leben gab. Ohne Anhaltspunkte, die ihm seine wirre Idee bestätigen konnten, riss er sich ein Stück Stoff aus seinem Leinenhemd, hielt es sich vor Mund und Nase und rannte durch die halbeingefallene Tür.
War es auf dem Platz schon beinahe unerträglich gewesen, so kam sich Osta im Innern wie in der Hölle selbst vor. Überall zischte es, der Rauch nahm einem die Sicht und diese beißende Hitze machte es einem fast unmöglich zu atmen.
Osta jedoch dachte nicht lange nach, er kannte sein Ziel: ein kleiner Raum hinter dem Altar, Bruder Fabians Büro.
Die Tür war genauso zerschmettert wie die Eingangstüre, doch die Trümmer zeigten keine Spur von Flammen. Hier hatte etwas Anderes gewütet.
Seine Ahnung bestätigte sich auch sogleich im Zimmer selbst. Die Flammen waren noch nicht bis hierher vorgedrungen.
Das ganze Zimmer machte einen ganz herkömmlichen Eindruck, wäre da nicht dieser muffige Geruch und in einer hinteren Ecke eine Steintreppe in die Wand eingelassen, vor der eine zerschlissene Fahne lag. Wahrscheinlich eine Geheimtür, die durch die Fahne verdeckt gewesen und nun durch einen Gewaltakt geöffnet worden war.
Osta bewegte sich zügig auf den Einlass zu und trat nach kurzem Bedenken den Weg ins Unbekannte an. Das Knistern des Feuers deutete ihm die wenige Zeit, die ihm zur Verfügung stand.
Es war des Bettlers Glück das die Treppe nicht weit in den Untergrund eingebettet war, sondern schon nach kurzer Zeit in einen dunklen Gang führte; an dessen Ende er eine Tür erkannte, durch welche flüchtiger Fackelschein strömte.
Das ganze Szenario flößte dem Alten nun ganz gehörig Angst ein. Er kam sich vor wie einer der Abenteurer aus den zahlreichen römischen Horrorgeschichten!
Und was war das gewesen?! Hatte er da nicht gerade ein flüstern vernommen? Ein leises Stöhnen?
Zum Teufel mit den alten Kamellen redete er sich selbst Mut ein und lief langsam auf den Eingang zu. Was bei Gott war diese Flüssigkeit, die da an der Tür langsam zu Boden tropfte?
Blut!, schoss es dem Alten sogleich durch den Kopf und sein Verdacht bestätigte sich.
Mit schweißnassen Händen öffnete er die blutverschmierte Tür.
Hatte er nicht mehr daran geglaubt, dass dieser Tag noch mehr Schrecken mit sich bringen würde, so wurde er von dem Schicksal enttäuscht.
Der Raum war nicht groß; steinern. Im Zentrum war eine Art kleiner Altar aufgestellt worden. Auf diesem Altar lag Fabian - in einer ungeheuren Blutlache.
Osta hatte bereits unzählige Männer sterben sehen, war an Blut gewöhnt, doch dieser Anblick setzte ihm zu: der Mann hatte unfassbar viele Schnittwunden. Doch trotzdem war er nicht wahllos gestorben. Die Schnittwunden befanden sich an den Stellen, aus denen am Meisten Blut austreten konnte: Pulsader am Handgelenk, Pulsader am Hals und viele weitere Adern.
Das dieser Mann noch röchelte war ein wahres Wunder. Osta versuchte an Fabian heranzukommen, seine Füße schwammen förmlich in Blut.
Als Fabian ein weiteres Mal röchelte, da lehnte sich der Alte weiter nach vorn an dessen Ohr. Womöglich wollte dieser ihm etwas sagen:
„S-sssi ha…en ddas hei…..“, die Stimme brach ab und ein letzter Blutschwall aus Fabians Hals signalisierte dessen Hinscheiden.
Das Gesehene machte Osthato Chetowä zu schaffen. Die Angst wuchs in seinem Innern, wer auch immer diese Tat begangen hatte, konnte sich noch immer in unmittelbarer Nähe befinden, wartete vielleicht sogar in einer dunklen Gasse und beobachtete die Kirche!
Ein Luftzug ließ den Alten herumzucken. Instinktiv tastete er nach seinen Paketen doch die waren noch immer beim Germanen in der Taverne. Plötzlich noch ein Windstoß! Die Fackeln flackerten kurz auf, dann verloschen sie. Die Tür knarrte. Ein kleines blaues Licht bahnte sich seinen Weg durch einen Spalt. Osta blieb die Luft weg. Die Angst war grenzenlos. Er stolperte Rückwärts, fiel über seine eigenen Füße…. in das Blut. Robbte in eine dunkle Ecke.
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