Beitrag #2
Die Luft um ihn herum war sauber und klar, der Regen hatte jede Spur von Staub und Schmutz hinaus gespült. Er schlenderte zwischen den Bäumen hindurch, abseits der Wege, die den dichten Wald sporadisch durchkreuzten. Die Nässe nahm er gar nicht mehr wahr. Schwer prasselten die Regentropfen, die das Blätterdach über seinem Kopf durchdrungen, auf ihn nieder. Doch auch sonst würde er nass genug werden, denn schon längst vermochten die Bäume die Fluten, die sich vom Himmel auf sie stürzten, nicht mehr aufzuhalten. Das feuchte Laub zu seinen Füßen dämpfte jeden seiner Schritte bis zur Lautlosigkeit und alles was von ihm zu sehen war, war sein kondensierender Atem in der Luft.
Er war mittlerweile auf dem Heimweg, hatte seine verträumte Betrachtung des nächtlichen Sternenhimmels aufgegeben, als die Gewitterwolken aufgezogen waren. Nicht, dass die Sicht der vom Mond beschienenen Wolken ihm weniger zugesagt hätte, es war lediglich nicht besonders sicher, nachts bei Wind und Wetter in einem einsamen Baumwipfel über dem dichten Blätterdach des Waldes zu thronen. Ohne weiter der Nacht nachzutrauern, war er hinabgeklettert, bevor ihm auch dies durch den schlüpfrigen Regen erschwert werden würde, und hatte seine Ausrüstung wieder aufgenommen, die er zuvor am Fuße des Baumes abgelegt hatte.
Da war einmal der Scutum, den er auf seinen Rücken geschnallt trug, darunter sein Reiseproviant und seine beiden Schwerter. Ein kleines Beil ebenfalls, doch dieses mehr als Werkzeug in der Wildnis denn als Waffe. Alles zusammen bildete ein handliches Bündel, welches er sich beinahe wie einen Rucksack auf den Rücken schnallen konnte.
Mit einem Mal erstarrte er. Die Atemwolke vor seinem Gesicht zerstob im Wind und von ihm blieb nichts weiter übrig als eine reglose Statue, die alle Assoziationen mit Leben eisern von sich wies. Ein Windstoß hatte ihm das stählerne Klirren von Waffen und die zornigen Rufe eines Kampfes ans Ohr getragen. Die nächste Bö bestätigte es ihm mit kalter Teilnahmslosigkeit. Es war ein großer Kampf. Ohne zu Zögern ließ er sein Scutum zu Boden gleiten und löste die Waffen aus dem Bündel, blickte sich um und verstaute seinen Proviant zwischen einem Baumstamm und einem großen Stein, der dagegen lehnte. Er machte sich nicht die Mühe, sein provisorisches Versteck weiter auszubauen - dafür war keine Zeit. Die Scheiden der beiden Klingen befestigte er an seinem Gürtel. Das Breitschwert links, den Gladius rechts, vor seinem Dolch. Er überlegte eine Sekunde und steckte kurzerhand das Beil ebenfalls dazu, nahm seinen Scutum auf und machte sich im Laufschritt auf die Quelle der Kampfgeräusche zu.
Die Schreie wurden lauter, deutlicher. Als er die Kämpfenden zwischen den Bäumen hindurch erkennen konnte, verlangsamte er seine Schritte, verweigerte seinen Körper jedoch der Erschöpfung, die ihn zu ergreifen drohte, indem er mit konzentrierten Gedanken an den bevorstehenden Kampf weiter Adrenalin in seine Adern pumpte. Mit einem mal traf ihn ein Schlag, noch schwerer als der, der ihn bei den ersten Anzeichen des Kampfes hatte erstarren lassen. Er unterdrückte ein ungläubiges Stöhnen und starrte wie gebannt auf den hühnenhaften Kämpfer, der sich dort ganz allein gegen eine Übermacht von acht Mann wehrte. Es mussten mehr gewesen sein, als der Kampf begann, dachte er sich grimmig. Doch das war es nicht, was ihn schockierte. Er hatte schon vorher Kämpfer gesehen, die es mit einer halben Hundertschaft aufnehmen konnten. Sein Schock rührte vom Gefühl des Wiedererkennens, dass ihn bei dem Kämpfer durchfuhr. Ohne Zweifel, es war sein Freund Kjaskar Swafnildson, Hetmann der Sturmwind Ottajesko - zumindest als er ihn das letzte mal gesehen hatte - und treuer Kampfgefährte in der großen Schlacht des Imperiums.
Die Kämpfer waren allesamt dem Nordmann zugewandt, so beschloss TheUnforgiven, sie noch in einigem Abstand zum Weg zu umgehen. Er wollte in ihrem Rücken in den Kampf eingreifen. Er bewegte sich leise und flink, huschte in einigen Metern Abstand auf den Weg und zog das Beil aus seinem Gürtel. Mit einem abschätzenden Blick für die Entfernung wog er es in seiner Hand, machte einen halben Schritt vor und holte aus. Gemeinsam mit einem zuckenden Blitz machte sich die Klinge auf ihren tödlichen Weg und der darauffolgende Donner fällte den Mann, dem die Klinge nun im Rücken steckte. Im Laufen zog er nun das Schwert und packte seinen Scutum fester. Zu seinem Glück gab es kein Licht, das für ein verräterisches Aufblitzen seiner Waffen sorgen konnte.
In dem Moment, in dem seine Klinge in die Halsbeuge eines weiteren Gegners fuhr, sah er für einen flüchtigen Moment den selben Blitz des Wiedererkennens in Kjaskars Augen aufflammen, wie er zuvor in seinen eigenen Augen zu sehen gewesen sein musste. Glasklar sah er nun die Feinde vor sich, die den Hühnen nicht länger beachteten, sondern sich ihm zuwandten. Gegen jeden der zwei Freunde stand nun jeweils die Hälfte der Gegner. Mehr und mehr vermischte sich der schlammige Regen zu ihren Füßen mit dem dunklen Blut ihrer Feinde. Donnernd krachte das Beil eines Feindes auf seinen Schild, während er mit dem Breitschwert abwechselnd parierte und austeilte...
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