Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 2 Gast/Gäste
Wie jeden Tag
Anonymous

Gast

 
Beitrag #1
Wie jeden Tag

"Wie jeden verdammten Tag saß ich unter einem Baum vor dem Kolloseum. Heute regnete es in Strömen und Menschen liefen gehetzt an mir vorbei um möglichst schnell in ihre trockenen Behausungen zu kommen. Für sie ist es nur Unterhaltung!

Mein Atem ging stoßweise, Tränen rannen über mein Gesicht, welches ich in meinen Händen vergraben hatte. Ich weinte nicht wegen des Schmerzes, der von meiner stark blutenden Wunde an meiner Seite ausging. Ich hatte es schon wieder getan. Für sie ist es nur Unterhaltung!

Heute war es besonders schwer gewesen. Wie jeden Tag war ich den Gang in das Kolloseum gegangen! Wie jeden Tag war die Angst im Begriff mich vollkommen zu übermannen! Wie jeden Tag hatte ich mir vorgenommen nicht zu kämpfen! Wie jeden Tag hatte ich gekämpft!

Im Geiste ging ich noch einmal den Kampf durch. Wir rannten aufeinander zu. Wie Tiere hauten wir aufeinander ein. Die Schwerter klirrten aufeinander und während er mir sein Schwert in die Seite haute konnte ich die Angst in seinen Augen sehen. Ich währe beinahe zusammengebrochen, doch ich raffte mich auf und rammte ihm das Schwert mit beiden Händen in die Brust. In diesem Moment sah ich keine Angst, keinen Schmerz sonder pure Erleichterung in seinen Augen.
Für sie ist es nur Unterhaltung!

Der Regen setzte ein, während ich unter den Jubelrufen der Zuschauer aus dem Kolloseum flüchtete, die Wachen unbewusst zur Seite rammte und hier zusammensackte. Erst jetzt bemerkte ich dass mir die Tränen über das Gesicht rannen.

Die Wachen kamen und mit ihnen mein Besitzer. Er schlug mich und die Wachen schleppten mich in meine Zelle, wo sie mich auf den Boden warfen. Auf dem Bach liegend schlief ich weinend ein, einen dreckigen Lappen, den ich auf die Wunde drückte, in der Linken, in der Rechten den zerfledderten Lorbeerkranz.

Ich träumte von Zuhause.
Im Traum sah ich wieder die endlosen Wälder meiner Heimat. Ich sah mein Heimatdorf und meine Famillie. Im Traum war ich wieder glücklich, ich war frei.

Meine Heimat liegt im großen Germanien. Natürlich haben auch wir gekämpft und wir haben ruhmreich gekämpft. Aber wir haben nur gekämpft wenn es sein musste. Wir waren ein starkes Volk und mein Vater war unser Anführer, ich dagegen war als zweitgeborener nie dazu bestimmt gewesen dass Dorf anzuführen. Mein Interesse galt sowieso anderen Dingen als dem Führen großer Kriege.

Eine Wache stolperte und das Klirren seiner Waffe weckte mich. Ich lag immer noch auf dem Boden meiner Zelle und sowohl Kälte als auch Schmerz durchzog meinen Körper. Die Wunde an meiner Seite nun vollends realisierend setzte ich mich auf mein Bett. Im Dunkeln tastete ich mich durch die Zelle bis zu deren Tür und bat eine vorbeigehende Wache um etwas Wasser. Gierig trank ich den halbvollen Krug den er mir reichte in einem Zug leer und setzte mich erneut auf mein Bett.

Wie lange würde ich es noch schaffen? Wie lange war es her dass ich von Zuhause fortgeschleppt wurde?
Ich schaute aus dem kleinen Fenster meiner Zelle und sah trotz der Wolken dass es Halbmond war. Schon wieder! Beinahe vier Monate waren vergangen dass die Römer das Dorf in dem ich meine Jugend verbrachte niedergebrannt und fast alle Bewohner getötet hatten. Mich hatten sie mitgenommen und an einen Sklavenhändler verkauft. Das was eine Woche her und ich hatte seitdem sieben Kämpfe absolviert. Sieben Leichen! Bald schon würde ich bei meinen Ahnen ruhen und in gewisser Hinsicht erwartete ich den Tod mit Freude. Schon zum dritten Mal hatte ich mir vorgenommen zu sterben. Doch jedes Mal beherrschte Panik meinen Geist und ich kämpfte um mein Leben.

In unruhigen Gedanken versunken schlief ich erneut ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von einer Wache geweckt, die mir einen Krug Wasser und einige Stücke Brot reichte. Heute würde ich wieder Kämpfen müssen und heute würde ich vielleicht erlöst werden. In Hoffnung auf meinen Tod besserte sich meine Laune und ich begann mein kärgliches Mahl zu verschlingen und wartete auf den Kampf.

Einige Stunden später, es musste fast Mittag sein, kam mein Besitzer zu mir in die Zelle und erzählte dass was er mir seit sieben Tagen erzählte. Dass ich heute gewinnen würde! Aber ich hatte niemals gewonnen, gewonnen hatte nur er. An mir war er reich geworden. Sieben Tage, so wusste ich, waren eine sehr lange Zeit für einen Sklaven und sie reichten um einen Sklavenhalter viele Prämien einzubringen.

Als er die Zelle verliess brachte mir eine Wache das verschlissene Lederwams dass ich jeden Tag trug. Er brachte mir auch einen Lederhelm und ein kleines Schild aus dem selben Material. Das Schwert würde ich erst erhalten wenn der Kampf beginnen sollte. Nun erhielt ich noch eine Stunde Zeit bis der Kampf beginnen sollte.

Angst schlich sich in meine Gedanken und verwirrte meinen Geist. Ich wusste dass ich wieder kämpfen würde. Ich geriet in Panik und begann schreiend gegen die Zellentür zu hämmern. Weinend sackte ich, an der Tür angelehnt zu Boden und erwartete den Kampf. Als die Wache mich holte stand ich bereit. Ich hatte mir die Tränen abgewischt, wie jeden Tag, und wollte tapfer meinem Tod ins Gesicht sehen. Wir gingen den Gang, wie jeden Tag, entlang und ich wurde, wie jeden Tag, unruhig.
Als ich in die Arena trat erhob sich tosender Jubel. Ich war beliebt, doch man würde mich schnell vergessen haben, wie so viele vor mir.

Auf der Gegenseite kam mein Gegner heraus. Ebenfalls ein Germane.
Wir gingen zur Mitte und begrüßten den Kaiser. Dann kamen, wie jeden Tag die Wachen und reichten uns unsere Schwerter. In seinen Augen stand Panik geschrieben. Der Kaiser gab das Zeichen und der Kampf begann.

Die Schwerter schlugen gegeneinander und wir legten unsere ganze Kraft hinein um den Gegner zum stolpern zu bringen. Dann traten wir zurück. Ich stürmte mit erhobenem Schwert auf den Gegner zu, welcher mich jedoch mit einem geschickten Tritt zu Fall brachte.

Nun legt er mir sein Schwert an den Hals. Aus meinem Mund quillt blutiger Schaum, doch ich spüre keinen Schmerz. Nur selige Vorfreude.
Mein Gegner blickt zum Kaiser, welcher das Zeichen geben soll mich zu töten.

"Mach es! Schnell! Bitte, töte mich!", flehe ich meinen Kontrahenten an. Doch der Daumen geht nach oben. Ich schliesse die Augen und wieder beginnen Tränen über mein Gesicht zu laufen:"Bitte, tue es!"
Mein Gegner, nein mein Freund, sticht zu. Ich weiss er tut es nur, weil er nun ebenfalls sterben wird, doch ich spüre einen kurzen Schmerz und dann....
meine Befreiung.
Meine Seele verlässt meinen Körper und was nun passiert weiss ich nicht.

Das letzte was ich höre ist die schreiende Menge.
Für sie ist es nur Unterhaltung! "
28.08.2004, 13:17