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Thorgrims letzte Ruhestätte - Druckversion

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- Anonymous - 12.07.2005

Schweiß trat Babe aus allen Poren, sobald sie sich nur wenige Sekunden in dieser grünen Halle befunden hatte. Selbst die Verwunderung ob dieses abrupten Klimawechsels oder die Anwesenheit der Barbaren samt Wölfe trat durch den Gedanken an die Hitze kurzzeitig in den Hintergrund.

"Bei den Göttern..." flüsterte Babe deshalb mit einem geqälten Ton zurück. "Ehrlich gesagt ist mir das gerade egal, wen sich der Zwerg als Haustier hält. Mir bleibt nämlich im Moment die Luft weg."

Die Kriegerin zerrte an den Fellen, die sie sich eben noch umgebunden hatte. Sie schnappte dabei hörbar nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Babe blickte zu Kjaskar, den die Hitze offensichtlich weniger auszumachen schien als ihr. Er trug allerdings auch nicht die wärmsten Felle, wie sie es tat, da sie weitaus empfindlicher gegen die Kälte war ein gestandener Thorwaler. Es war somit kein Wunder, dass sie nun in ihrem eigenen Saft stand - sie hatte selbst dafür gesorgt, dass ihre eigene Wärme nicht nach außen dringen konnte.

"Erst muss ich mich ausziehen, bevor ich überhaupt irgend etwas machen kann," flüsterte Babe wieder, stieß dabei sämtliche Felle von sich, so dass sie nun nur noch ihre warmen Stiefel, ihre Hose und ihr Flanellhemd auf dem Leib trug. Erst dann griff sie zu ihrer Armbrust, und legte flink ein Bolzen ein. Mit der Armbrust im Arm trat sie einen Schritt vor sich um einen besseren Überblick zu verschaffen. Dabei stieß sie unachtsamerweise an die steinerne Balustrade und schubste so einen daraufliegenden Stein nach unten. Dieser fiel polternd nach unten, wobei die Höhle das Geräusch seines Falls noch verstärkte.

Babe und Kjaskar erstarrten. Gleichzeitig fuhren die Köpfe der Barbaren und der Wölfe herum, so dass sie sie erblickten und aufsprangen. Babe hörte ein gezischtes "Runter!" von Kjaskar, der sie gleichzeitig am Arm packte und gen Boden zerrte.

Einen leisen Fluch ausstoßend, ließ sich Babe zu Boden fallen. "Ich stimme deinen Vorschlag mit dem Rausjagen zu," zischte sie mit einem Anflug von Galgenhumor zurück. "Alleine schon deshalb, weil uns nichts anderes übrig bleibt."

Von ihrem Versteck hinter der Balustrade aus konnten die beiden Krieger hören, wie die Männer und die Wölfe aufgeregt durcheinander liefen und an die Stelle eilten, die die beiden Ebenen mit einer schmalen Holzbrücke vereinten.

"Geh du vorraus," schlug Babe ihrem Gefährten vor. Ich bleibe in einiger Entfernung hinter dir, da ich dir so mit meiner Armbrust mehr nützen kann. Ich werde mir erst die Männer und dann die Wölfe vornehmen."

Die Kriegerin lehnte ihren Kopf an den kühlen Stein der Balustrade, schloss einen Moment die Augen und öffnete ihn erst wieder, als sie ein leises Schwirren an ihrem Ohr hörte. Ein Vogel, nicht viel größer als eine Hummel flog an ihr vorbei, schien sie dabei interessiert zu betrachten, bevor er sich wieder in die Lüfte schwang.
"Ich sehe schon Trugbilder," dachte Babe verwirrt. "Es wird Zeit, dass wir Thorgrim finden, bevor ich in seinem Berg noch verrückt werde."

Kjaskar, der den seltsamen Vogel nicht gesehen zu haben schien, nickte knapp, richtete sich ein wenig auf und lief so geduckt an der Balustrade in Richtung der Brücke. Babe folgte ihm in einiger Entfernung, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie immer noch genug Bolzen in ihrer Tasche hatte. Erst, als sie kurz vor der Brücke angelangt waren und sie hören konnten, dass auch die Barbaren sie erreicht hatten, richteten sie sich auf. Kjaskar schwang mit einem lauten Ruf seine Orknase, während sie den ersten Bolzen losschickte. Er landete dem vordersten Mann direkt in der Kehle, was ihn mit einem Schrei von der Brücke in das darunterliegende Dickicht fallen ließ.

"Nummer eins..." fluchte Babe leise, zog einen Bolzen aus der Tasche, um ihn gleich darauf wieder einzuspannen. Den Blick auf den Barbar anvisiert, der Kjaskar am nächsten stand, schoss sie ein weiteres Mal...


- Anonymous - 12.07.2005

Mit schnellen Schritten sprintete Kjaskar zu der Verbindungsbrücke zwischen dem dampfenden Dschungel unter ihm und der steinernen Balustrade. Der Übergang bestand aus einer Hängebrücke, die von der unteren Ebene in einem nicht zu steilen Winkel nach oben führte. Morsche Holzplanken lagen zwischen zwei dicken Seilen und boten einen unsicheren Untergrund. Rechts und links der Konstruktion, in Hüfthöhe, waren zwei weitere Seile gespannt, die als Haltepunkte für die Hände dienten.

Der Nordmann erreichte den Übergang zeitgleich mit einem der Barbaren, der flink über die Holzbretter auf ihn zugerannt kam. Noch bevor er seine Axt schwingen konnte wurde er von einem Bolzen aus Babes Armbrust im Hals getroffen und fiel röchelnd über das Halteseil, in die grüne Vegetation. Kjaskar bekam keine Gelegenheit, dem Sturz des Mannes zuzusehen, denn fast sofort darauf setzte ein Wolf zum Sprung an. Mit einem lauten Fluchen, dass das Knurren des Tieres übertönte schwang der Nordmann die Orknase mit aller Gewalt in einen tiefen, flachen Bogen und traf den Wolf in seine Flanke. Dieser wurde von der Wucht des Schlages aus der Flugrichtung des Hünen gerissen. Ein elendiges Jaulen erklang, als das Tier in die Tiefe stürzte und aufprallte. Ein weiterer Barbar schoss heran, wurde jedoch von einem weiteren Bolzen von Babe in die Hüfte getroffen und brach auf die Knie. Die kurze Unruhe, die entstand, als sich Wolf und Barbaren an ihm vorbeidrängten. Nutzte Kjaskar, um einen kurzen Überblick über die Situation zu erhalten. Vor ihm drängten sich vier weitere Barbaren und drei Wölfe auf ihn zu. Der Nordmann dankte seinen Göttern, dass die Brücke schmal war – mehr als zwei Gegner würde er nicht gegenüberstehen. Sein Blick wanderte kurz über die Höhle. Wo waren die restlichen Barbaren? Sein Blick fiel auf eine Stelle an der Wand, an der Babe lehnte. Rasch drehte er sich zu der Kriegerin um und schrie:

„Pass auf, unter dir – sie versuchend die Wand zu erklimmen!“

Mehr konnte er nicht mehr sagen, als die kurze Kampfpause, die auf der Brücke entstanden war, verstrich und weitere Angreifer auf den Hünen eindrängten. Wütend trat er einen Schritt nach vorne und schwang seine Axt. Herzhafte Flüche drangen aus seinem Mund, während er Äxte, Keulen und Klauen von sich abzuwehren versuchte.

„Bei den Göttern, eine ganze Ottajesko würde ich jetzt für ein verdammtes Schild geben! Immer dann, wenn man eines braucht, hat man...“ Ein Schlag fuhr durch die Deckung eines Barbaren und ließ ihn röchelnd zu Boden gehen, „...keines! Diese Brücke könnte ich gegen eine ganze – uh!...“, Die Krallen eines Wolfes fuhren über den rechten Oberschenkel des Hünen, rissen Stoff und Fell beiseite und zogen durch das Fleisch, „...gegen eine ganze Armee Halten, das Wohl! Und du verdammtes Vieh bist keine Armee!“

Mit einem Krachen landete die Orknase zwischen den Schulterblättern des Wolfes, „Da hast du es!“

Schimpfend und Fluchend wie ein halbes Regiment Zwerge kam der Nordmann doch nicht umhin, einen langsamen Rückzug die Holzstufen zurück anzutreten. Der Gegner drängte auf ihn ein, nahm ihm den Platz für das Schwingen seiner Axt und trieb ihn so Schritt für Schritt zurück...


- Anonymous - 12.07.2005

Manchmal, in gewissen Situationen wie die, in der sie sich soeben befanden, verfluchte Babe sowohl ihren, wie auch Kjaskars Tatendurst nach Abenteuer und den Spaß an einem sauberen Kampf. Denn da, wo andere klugerweise den Rückzug antraten, stürzten sie sich mitten ins Getümmel um dann irgendwann zu erkennen, dass sie sich übernommen hatten.
Genau diese Erkenntnis überfiel Babe , als sie die drei Männer die Wand erklettern sah. Aus dem Augenwinkel heraus erkannte sie, dass Kjaskar so langsam Mühe bekam, die Brücke zu halten, so wie sie ihre Not damit hatte, die Bolzen schnell genug in die Armbrust zu spannen. Trotzdem legte sie hektisch einen neuen ein, hielt die Armbrust nach unten und visierte den vordersten der Männer an. Dieser warf sich jedoch zur Seite, so dass sie ihn verfehlte und er Zeit hatte, sich über die Balustrade zu schwingen.
"Verdammt..." fluchte Babe, während sie ihre Armbrust fortwarf und nach ihrem Dolch griff. Wieder ärgerte sie sich, dass sie ihr Bat`leth zu Hause gelassen hatte, empfand sie den Dk`tagh doch weniger hilfreich in diesen Situationen als ihr Schwert.
Der Barbar schien ähnliches zu denken, denn er grinste sie an, nachdem er einen Blick auf ihre Waffe geworfen hatte. Anstatt sie jedoch mit ihrer Axt zu erschlagen, die er nun aus seiner Halterung zog, warf er sich mit einem weiteren Mitstreitern auf sie, um sie kurzerhand gefangenzunehmen.
Babe, deren einen Arm auf den Rücken gedreht wurde und von starken Männerarmen in den Schwitzkasten genommen wurde, begann lauthals zu fluchen:

"Nimm deine dreckigen Finger von mir Mistkerl, bevor ich dir deine Visage darart ramponiere, dass dich selbst deine Mutter nicht wiedererkennt."

Im Versuch, sich aus der unfreiwilligen Umarmung zu befreien, drehte und wendete sie sich, was ihr jedoch nur einen kräftigen Fausthieb ins Gesicht einbrachte. Das letzte, was sie darum sah, war der gemein aussehende Gesichtsausdruck des dritten Barbaren und Kjaskar, der auf der Brücke von zwei Wölfen attakiert wurde.



Die Kriegerin erwachte, als sie an ihrem Ohr wieder das schwirrende Geräusch des kleinen Vogels hörte. Einen Moment lang ließ sie verwirrt die Augen geschlossen und überlegte, warum ihre Arme auf dem Rücken und ihre Füße zusammengebunden waren, bis ihr der stechende Schmerz an der Schläfe die letzen Ereignisse wieder ins Gedichtnis riefen.

Leise, um kein Geräusch zu verursachen, drehte sich Babe auf den Rücken. Das erste, was sie erblickte, war Kjaskar, der unweit von ihr an einen Baum angebunden stand, während um ihn herum drei hechelnde Wölfe lagen. An seinem Bein klebte frisches Blut, sein Hemd war zerfetzt und seine Füße waren bloß. Die Haare des Nordmanns hingen wild und verschwitzt um sein Gesicht, was jedoch nicht den Ausdruck des Schmerzes und des Zorns verdecken konnte.

Die Kriegerin versuchte ein Lächeln in dem Moment , in dem er zu ihre hinüberblickte - als Zeichen, dass es ihr gut ging, von der Ausnahme ihrer Situation ausgenommen.


- Anonymous - 12.07.2005

Hämmernde Schmerzen jagten durch Kjaskars verletztes Bein, als er sich ein weiteres mal erfolglos gegen die Fesseln stemmte. Das Hanfseil lag eng an seiner Brust, seiner Hüfte und – die Barbaren hatten eine erstaunliche Begabung, jemanden an der Flucht zu hindern – mitten über die tiefe Wunde auf seinem rechten Oberschenkel.
Erschöpft, dafür umso grimmiger pumpte er die Luft wieder aus seinem Körper und entspannte sich in den Fesseln, so gut es ging. Sein Blick fiel auf die erwachende Babe, die ihm ein aufmunterndes Lachen zuwarf. Diese simple Geste hätte ihn beruhigen sollen – der Anblick der blutunterlaufenden Zähne in ihrem Mund, folge der rauen Behandlung ihrer Häscher, ließ ihn sie jedoch nur anstarren. Schließlich rang er sich selber zu einem kurzen Lächeln ab, welches sich schnell in eine Grimmasse verwandelte – wer versuchte hier eigentlich wem was vorzumachen? Entmutigt ließ er den Kopf erneut hängen und dachte an die Situation, in der sie beide gerade steckten.

Der Kampf an der Brücke hatte ein jähes Ende gefunden, als Babe von den Barbaren niedergeschlagen wurden. Er hatte es nur aus den Augenwinkel wahrgenommen, aber als er sich entsetzt umsah und die höhnisch winkenden Männer sah, die Babes Dk`tagh an die Kehle der Kriegerin hielten, fiel sein Widerstand. Zwei Wölfe rissen ihn zu Boden und tobten sich mit ihren Krallen auf seiner Brust aus, während er mühsam versuchte, ihre Kehlen von seinem Kopf fern zu halten. Die Männer, die schließlich die Tiere fortrissen, behandelten ihn nicht sanfter. Schläge und Tritte prasselten auf ihn ein, bevor er halb bewusstlos zu ihrem Lager gezogen und an einen Baum gefesselt wurde. Babe wurde neben ihm gelegt – entweder glaubten sie, dass eine Frau nicht imstande wäre, sich aus den Fesseln zu befreien oder das sie zu angeschlagen war. Wahrscheinlich vertrauten sie auch den Wölfen, die wachend um die beiden Gefangen lagen und sie nicht aus den Augen ließen. Und bei den Göttern, wir kommen hier auch nicht so einfach weg! dachte sich Kjaskar verbittert.
Es war töricht von ihnen gewesen, die Eindringlinge – um nichts anderes konnte es sich handeln – in einem Sturmangriff überwältigen zu wollen, mit nur zwei Leuten. Nun lagen sie hier, überwältigt und gefesselt, mit Ausblick auf eine ungewisse Zukunft.

„Warum haben sie uns gefangen genommen?“

Babes Stimme klang rau und krächzend. Sie hatte sich etwas zur Seite gerollt, begleitet von einem bösartigen Knurren der Wölfe. Kjaskar sah zu den weiter entfernt stehenden Barbaren, die gerade damit beschäftigt waren, die Ausrüstung ihrer Gefangenen zu inspizieren. Laute, aggressive Worte wurden zwischen ihnen gewechselt, während sie sich um die Beute stritten. Zwei stämmige Männer klammeren sich an zwei Enden der Orknase fest und gestikulierten mit der freien Hand wild.
Der Hüne zuckte mit der Schulter.

„Ich weiß es nicht. Wenn sie uns nicht umbringen, haben sie wohl noch was mit uns vor... und ich befürchte, dass wird nichts angenehmes sein...“

Er verschwieg der Kriegerin die rauen Sitten und Spielchen, die bei einigen Barbarenvölkern im hohen Norden praktiziert wurden – keiner ihrer Opfer überlebte diese Behandlung lange. Obwohl es nichts brachte, sträubte sich Kjaskar erneut gegen seine Fesseln. Der Druck auf seine Wunde nahm sofort wieder ein unerträgliches Ausmaß an, was von einem wütendem Knurren der Wölfe begleitet wurde. Einer der Barbaren sah das und schritt mit einem bösen Lachen auf die beiden Gefangen zu. Der große, dunkelhaarige Mann wirkte feist und stämmig. Die Art, in der er sich bewegte ließ jedoch vermuten, dass der Barbar weit weniger unbeweglich war als er mit seinem Äußeren zu vermitteln versuchte. Mit zusammengekniffenen Augen blieb er einen Moment stehen und betrachtete die beiden Gefesselten, bevor er zum sprechen ansetzte. Seine Worten klangen kehlig und heiser, und seine Gemeinsprache, die im hohen Norden üblicherweise gesprochen wurde, war brüchig.

„Ihr jetzt Besitz von Gromm und Männern. Sein unser Eigentum! Wir mit euch machen, worauf wir Lust haben!“

Er lachte rau auf, als hätte er gerade einen guten Witz gemacht. Seine Händen umfassten seinen gewaltigen Bauch, der sich bei jedem Lachen hin- und her bewegte. Nach einem Moment fasste er sich wieder und winkte zwei Leute zu sich und deutete auf Babe. Kjaskar entgingen nicht die lüsternen Blicke, die sie über ihre Figur warfen und wandte sich unbeherrscht in den Fesseln auf.

„Fass sie an, und du bist ein toter Mann, das schwöre ich dir bei allen Göttern, die du kennst!“

Seine Stimme war leise, fast wie ein flüstern, als er Gromm unter einem Vorhang seiner Haare und Gift sprühenden Augen ansah. Der Barbar fing erneut an zu lachen, hielt aber seine Männer zurück.

„Du sein lustig, blonder Bursche! Bringen Gromm zum lachen, wir das komisch finden! Was willst du denn machen, Blondling?“

Gromm trat einen Schritt auf den Hünen zu, steckte seine Daumen in seinen Gürtel und sah den Nordmann herablassend und herausfordernd zugleich an. Kjaskars Augen verengten sich noch mehr, dann spie er den Barbarenanführer an. Für einen Moment herrschte ein ungläubiges Schweigen, als selbst die weiter entfernt stehenden Barbaren in ihren Streitereien inne hielten und zu ihrem Anführer starrten. Dessen Gesicht verzog sich unmerklich. Schneller als man es ihm zugtraut hätte holte er mit der Faust und schlug sie seitlich in das Gesicht des Hünen, das mit der Wucht des Schlages zur Seite gerissen wurde und anschließend kraftlos mit dem Kinn auf der Brust des Hünen glitt. Kjaskar spuckte Blut zu Gromms Füssen, bevor er ihm wieder ins Gesicht sah.

„Mach mit mir, was du willst, du fetter Sohn einer räudigen Hündin, aber rühr sie nicht an!“

Seine Worte klangen trotzig, trotziger, als er sich zu fühlen schien. Seine Augen suchten mit glasigen Blick die des Barbaren und fanden sie schließlich. Dieser starrte ihn einen Moment ungläubig an, bevor er kurz böse auflachte.

„Du spaßig sein, Blondling. Wir noch wollen viel Spaß mit dir haben. Spielen wir!“

Ein gemeines Grinsen stahl sich in Gromms Gesicht, als er zur Seite trat und seine beiden Männer an ihm vorbeiließ. Kjaskars Gesicht zuckte kurz, was der Barbar bemerkte.

„Und wenn wir fertig mit dir – und wir sein schnell fertig mit Spielen, glaube mir - das Weib als nächstes dran ist mit spielen. Oh, wir noch viel mehr Spaß mit ihr haben werden, wir denken...“

Er leckte sich über die Lippen, während er Babe musterte und schritt anschließend lachend davon. Die beiden Männer banden Kjaskar vorsichtig von dem Baum, sorgsam darum bemüht, dass er die Beine und Hände gefesselt behielt. Anschließend schubsten sie ihn nach vorne, woraufhin er aufgrund seiner umschnürten Beine direkt zu Boden fiel. Raues Lachen begleitete seinen Versuch, wieder aufzustehen. Nach einem Moment riss ihn einer der Männer hoch und schob ihn zu dem Lager, während die Kriegerin wie ein Sack auf die Schulter des anderen Mann gehoben und mitgenommen wurde.

Die Gruppe führte sie zu dem provisorischen Lager der Barbarengruppe. Knochen von längst verspeisten Mahlzeiten lagen überall herum und unterstrichen das allgemeine Chaos, dass die Eindringlinge in dem kleinen grünen Fleck inmitten des Berges angerichtet hatten. Gromm schritt mit seinem bösartigen Lächeln auf den Hünen zu, einen schließbaren Stahlring, der mit einer langen Kette verbunden war, mit sich führend. Er blickte Kjaskar in die Augen, als er den Stahlring um dessen rechtes Handgelenk legte und zuschloss. Kommentarlos drehte er sich um, deutete den Barbaren, der Babe immer noch wie ein Sack auf den Schultern hielt an, sie herabzulassen und trat weiter weg.

„Lasst sie herab, sie sehen sollen was mit Blondling passiert. Er jetzt spielen mit unserem kleinen Liebling – kleiner Liebling schon lange niemanden mehr zum spielen gehabt hat!“

Ein schauriges Heulen erklang wie auf ein verabredetes Zeichen. Die drei Wölfe, die mit den Gefangenen zum Lager mitgetrottet waren, legten sich mit dem Heulen hin und knickten den Schwanz ein. Eine Silhouette trat von außerhalb des Lagers auf die Gruppe von Mensch und Tier ein und entblößte sich zu einem majestätischen Wolf von riesigem Ausmaß. Von Kopf bis Schwanz strömte er ein Gefühl von Macht, Überlegenheit und vor allem Gefahr aus. Gromm schritt lachend auf ihn zu, so als ob es sich um einen Schoßhund handeln würde, legte seine Hand mit dem anderen Ende der Kette in das Genick des Tieres und band es dort an einem Halsring fest.

„Braves Tier du sein – bekommen was feines zu spielen! Schon lange nicht mehr Spaß haben. Das Dorf liegen nun auch schon wieder so lange zurück, ja ja...“

Triumphierend trat er zurück zu Kjaskar und streckte dabei die Arme aus. Ein Messer lag in seiner rechten, dass er gefährlich nahe vor dem Gesicht des Gefangenen hin und her fahren lies.

„Unser kleiner Wolf sich seitdem schrecklich gelangweilt haben – vielleicht du ja für ihn etwas Aufmunterung sein.“

Das Messer fuhr blitzschnell über die linke Wange des Hünen und hinterließ dort eine klaffende Wunde. Kjaskar funkelte den Barbarenhäuptling an – hätten Blicke töten können, wäre Gromm durch Hunderte von Höllen marschiert. Schließlich ging er hinter den Nordmann, schnitt ihm die Fesseln los und trat ihn die Kniekehle, worauf Kjaskar zu Boden ging. Abwertend warf Gromm das Messer vor ihm und schritt etwas davon.

„Du spielen. Einfache Regeln – das Ende der Kette, was am Ende noch atmet, gewonnen hat. Du mir mehr Freude machen als letztes Mal – dreckiger Zwerg war ein Spielverderber, pah! Die hohen Herren ihn falsch eingeschätzt hatten – das mit dir nicht mir passieren!“

Kjaskar blickte überrascht auf und sah Gromm an.

„Welcher Zwerg? Und was für Herren? He, wen meintest... uff!“

Ein Ruck ging durch die Kette, als der Wolf an dem anderen Ende einige Schritte zurückschritt und den Hünen auf den Knien mitschliff. Ein Knurren erklang, während das Tier in mit vor Intelligenz funkelnden Augen ansah. Gerade noch rechtzeitig bemerkte Kjaskar, was sein Gegner mit ihm vorhatte und griff im letzten Moment nach dem Messer, von dem er zusehends entfernt wurde. Der Wolf heulte enttäuscht auf und sprang nun in schnellen Sätzen auf ihn zu. Fieberhaft begann der Nordmann seine Chancen zu überschlagen, bevor er mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck sein Kinn vorstreckte. Mit fest in den Boden gerammten Beinen wartete er auf seinen tierischen Gegner, welcher sich mit jedem Schritt mehr zu einem wahren Berg an Muskeln und Fell abzeichnete. Ein letztes Mal setzte er auf und sprang dann mit einem gewaltigen Satz gegen den blonden Menschen.

Kjaskar hatte den Moment genau abgewartet. Das Tier sprang ihn an, riss ihn mit der Wucht seines Fluges nach hinten und zu Boden. Die Ohren des Nordmannes klingelten, als sein Kopf aufprallte und er wütend gegen die plötzlich auftauchende Schwärze ankämpfte. In dem Gewühl des Aufpralls warf er zeitgleich den Dolch zu der liegenden Babe. Die Götter mochten entscheiden, ob die Waffe sie erreichte und sie niemand sah. Weiter konnte Kjaskar nicht weiter denken, als seine ganze Welt sich nur noch um Krallen, spitze Zähne und brennende Schmerzen zu drehen begann....


- Anonymous - 12.07.2005

Es tat Babe in der Seele weh, hilflos zuschauen zu müssen, wie Kjaskar von den Barbaren geschlagen und erniedrigt wurde. Um sich selbst hatte sie dabei weniger Angst, denn sollte nur einer ihrer Peiniger den Fehler machen, sie losbinden zu wollen, würde er das gleich zu bereuen wissen. Und er würde ihr zumindest ihre Beine von den Fesseln befreien müssen, sollte er seinen Drohungen wahr machen wollen. Sie ließ deshalb stumm den Spott der Männer über sich ergehen, während ihre Augen wütend zu funkeln begannen. Erst als sie zusehen musste, wie sich der riesige Wolf auf Kjaskar stürzte, stöhnte sie leise und unterdrückt auf. Es war ihr bei all den sich überschlagenden Ereignissen jedoch nicht entgangen, dass ihr Kjaskar einen Dolch zugeworfen hatte - genau in dem Moment, in dem sich der Wolf ihn unter sich begrub.

Die Barbaren waren vom stattfindenden Kampf abgelenkt, so dass sich die Kriegerin blitzschnell den Dolch schnappte und ihre Füße freiband. Anschließen drehte sie den Dolch so, dass seine Klinge nach oben zeigte und sie ihre Bänder um ihre Handgelenke durchtrennen konnte.

Einige Meter neben ihr knurrte der Wolf über Kjaskar, während seine Kiefer hörbar auf und zuklappten. Die Männer, die um die Kämpfenden herumstanden, begannen daraufhin vor Begeisterung zu gröhlen, keiner achtete mehr auf die Frau, die hinter ihnen auf dem Boden lag. Babe sprang deshalb geschmeidig auf, um gleich darauf zu einem der Männer zu hechten, der eine gewaltige Axt locker in der Hand hielt. Sie entriss sie ihm und bevor er noch reagieren konnte, sprang Babe über den Wolf, hieb ihm mit der Axt mit all ihrer Kraft in die Rippen. Der Wolf wurde daraufhin von der Wucht des Schlages angehoben und flog zu Seite. Ein wütender Schrei Babes begleitete den Tod des Wolfes, der dumpf auf dem Boden aufschlug.

Tumult entstand. Der Wolf jaulte ein letztes Mal und blieb dann mit einer Wunde, die ihn fast spaltete, auf dem Boden liegen. Gromm brüllte auf und sprang auf sie zu, so dass Babe instinktiv herumfuhr, die Axt zum Schlag erhoben und bereit, sie dem Anführer in den Schädel zu treiben.

Wollen doch mal sehen, wer hier spielt..." knurrte die Kriegerin, Gromm einen finsteren Blick zuwerfend und mit zum Schlag bereiter Axt.. "Komm du nur, wenn du es mit jemanden aufnehmen kannst, der lieber selbst kämpft, als ein Tier vorzuschicken."

Der Barbar blieb abrupt stehen. Ein Grinsen bahnte sich über sein Gesicht, er verzog die Lippen und entblößten seine schwarzen Zähne.

"Ach..." ließ er mit einem leisen und höhnischen Lachen vernehmen. "Weib will auch spielen, ja? Das kann sie haben."

Immer noch grinsend winkte Gromm seine Männer zur Seite. "Wir spielen um Blondling. Wenn du mich besiegen, du ihn kannst haben. Wenn nicht, macht das auch nichts, denn dann du bist tot."

Babe spie ihm vor die Füße. Ihre Locken flogen ihr um den Kopf, als sie anschließend heftig nickte. "Was denkst du denn, wen du vor dir hast." knurrte sie wieder. "Ich bin schon mit ganz anderen Großmäulern fertig geworden."

Dass sie damals jünger gewesen war und eine Waffe trug, die ihr weitaus mehr lag als eine Barbarenaxt, verschwieg die Kriegerin, zumal Kjaskar neben ihr unter Schmerzen aufstöhnte. Babe warf ihm einen knappen Blick zu, konnte aber nur erkennen, dass er blutüberströmt und regunglos am Boden lag. Blut klebte in seinen blonden Haaren, durchnässten sein Hemd und sickerte neben ihm zu Boden. Der Wolf musste ihn schwer erwischt haben. Einen Moment lang fragte sie sich, ob er ihr zutraute, gegen Gromm einen Sieg zu erlangen und sie vermutete, wenn er richtig bei Besinnung wäre, würde er aufstehen und ihren Platz einnehmen wollen. Sie musste sich deshalb beeilen, bevor der Thorwaler erkannte, was sie im Schilde führte, weshalb sie sich wieder zu Gromm wandte.

"Schnapp dir deine Axt und zeig mir, was du kannst," versuchte sie ihn herauszufordern. "Oder gehörst du zu den Feiglingen, die sich noch nie gegen eine Frau gestellt haben?"

Auf Gromms Gesicht zeigte sich erst Unglauben, dann Wut. Seine Männer um ihn herum lachten dagegen leise auf, was er als Herausforderung zu empfinden schien. "Ich stopfe dir dein vorlautes Maul, Weib!" rief er ihr im unterdrückten Zorn zu. "Und dann ich werde dich den Wölfen zum Fraß..."

Weiter kam er mit seinen Drohungen nicht, denn Babe ließ Gromm nicht aussprechen. Sie sprang auf ihn zu, die Axt auf ihn zuschwingend. Dieser parierte mit einem erstaunten Rufen, ließ seine Axt gegen ihren Holm krachen, was sie selbst zurücktaumeln ließ.
Gromms Männer ließen ein Raunen hören, alle traten hektisch einen Schritt zurück, um nicht in die Reichweite der Äxte zu gelangen. Babe, in der sich Wut und Schmerz gepaart hatte, ließ Gromm wiederum keine Zeit, einen Schlag zu führen - sie sprang an ihn vorbei, führte die Axt von unten nach oben und trieb ihm das Blatt in die in den Brustkorb.
Blut spritzte ihr entgegen, was Gromm mit einem Brüllen kommentierte. Bevor Babe aber einen weiteren Schlag nachsetzen konnte, streckte Gromm einen Arm nach ihr aus und griff nach ihrer Kehle. Babe hing nun am Ende seines Armes, während Gromm zuzudrücken begann, gewillt, ihr den Lebensatem aus dem Körper zu pressen. Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein Gesicht zeigte eine Blässe, die eben noch nicht dagewesen war. Es war ihm deutlich anzusehen, dass sie ihn schwer getroffen hatte.

Nun aber kam Leben in Kjaskar. Er musste seine Sinne wiedererlangt haben, denn er stand auf, wankte nur kurz und sprang dann auf Gromm zu, um ihn von hinten einen Arm um die Kehle zu legen.

"Bei Swafnir.." flüsterte er Gromm ins Ohr. "Jetzt bist du ein toter Mann."

Der Thorwaler legte eine Hand an die Wange von Gromm und machte mit dem Arm eine kurze Seitwärtsbewegung. Ein leises Knacken erklang.
Babe spürte, wie die Hand um ihren Hals locker wurde. Wie auch Gromm im Arm von Kjaskar erschlaffte, bis er tot zu Boden fiel.

In der Höhle war es einen Moment lang still. Gebannt und Fassungslos hatten die Männer dem Kampf zugesehen, wobei selbst die Wölfe die Spannung erkannt hatten und unruhig hin und herliefen. Nun aber brach die Spannung durch, jeder von ihnen griff zu seiner Waffe, bereit, den Tod des Anführers zu rächen.

In der selben Minute griff Kjaskar zu Gromms Axt. Immer noch lief sein Blut an ihm herab, was aber nicht über die Wut in seinen Augen hinwegtäuschen konnte.
Babe, die hinter ihm stand, atmete schwer vor Anstrengung und Atemnot. Es hatte nicht viel gefehlt, und Gromm hätte für immer die Luft zum Atmen genommen. "Das schaffen wir..."keuchte sie Kjaskar zu, in dem Versuch, ihn aufzumuntern. "Wäre ja nicht das erste Mal..."

"Das Wohl..." knurrte Kjaskar, seine Axt schwingend. "Aber jetzt räumen wir hier auf."

Es folgte ein harter und langer Kampf. Kjaskar nahm sich die Männer vor, während Babe sich auf die Wölfe konzentrierte. Wolfsblut mischte sich mit dem der Menschen. Gromms Axt blitzte dagegen mit jedem Schlag in dem seltsamen Licht der Höhle auf, während sie in den Armen und Rippen der Männer wütete. Ruhe kehrte erst dann ein, bis keiner der Barbaren irgend eine Art von Gegenwehr leisten konnte.

Wieder herrschte Stille in der Höhle, die nur von dem Plätschern des Wassers unterbrochen wurde. Ausgepumpt und kraftlos fiel Kjaskar auf die Knie, die Hände auf den Boden gestüzt und einen Ton ausstoßend, wie Babe es noch nie von ihm gehört hatte. Aber auch sie war am Ende ihrer Kräfte, ihre Wunden, ihre Gliedmaßen und ihre Seele schmerzten von der überstandenen Pein.
Babe sank neben dem Thorwaler nieder, nahm ihn in den Arm und hielt ihn minutenlang fest. Worte bedurfte es nicht - im Gegenteil, nun wäre jeder gesprochene Laut zuviel.


- Anonymous - 12.07.2005

Als der Hüne auf seine Knie fiel, versiegte die Wut, das Adrenalin und seine Sorge um Babe schlagartig. Von einem Moment zum nächsten spürte er die mühsam unterdrückten Schmerzen mit aller Gewalt durch seinen Körper jagen, was ihn mit einem unterdrückten Stöhnen nach vorne werfen ließ. Für einen Moment kämpfte er gegen die Pein an und verlor. Die Angst um Babe, die Worte Gromms über den Zwerg, die ungläubige Furcht, die er in den Klauen des Wolfes gespürt hatte...
Erst nach einer Weile bemerkte er, dass er schrie. Er fühlte einen Körper, der ihn in den Arm nahm, und wie ein Ertrinkender auf hoher See nahm er die Nähe an. Einen schmerzenden langen Atemzug nach dem anderem spürte er, wie ihn der Vorhang aus Entsetzen langsam verließ. Zurück blieb sein schmerzender Körper und eine große Müdigkeit.

Langsam, fast wiederwillig löste er sich von Babe, nahm ihren Kopf zwischen seinen Händen und sah ihr in die Augen. Die Kriegerin sah so aus, wie er sich fühlte – ihr linke Gesichtshälfte war angeschwollen, blutende Wunden übersäten ihren Körper überall da, wo sie von den Wölfen getroffen worden war. Ihre Kleidung wirkte martialisch – überall klebte und troff Blut von ihr – das der Barbaren, der Wölfe, Kjaskars und ihres. Das alles sah bemerkte Kjaskar nicht, als er in ihre beruhigenden Augen blickte und sie schließlich an sich zog und fest umklammert hielt. Nach einer halben Ewigkeit stöhnte er leise auf, was die Kriegerin sofort veranlasste, sich von ihm zu lösen. Kjaskar versuchte zu Grinsen, was in eine Grimasse ausartete.

„Wir... werden zu alt für solche Späße, Babe. Für einen Moment hatte ich gedacht, dass wir es nicht mehr schaffen...“

Er hustete und versuchte mühsam aufzustehen. Babe versuchte ihm zu helfen und fiel mit einem unterdrückten Stöhnen hin, als ihr linkes Bein ihr den Stand verweigerte. Nach einer Weile schafften sie es, sich gegenseitig hochzuziehen. Babe legte einen Arm um den Thorwaler und übernahm das Kommando.

„Da geht’s lang, Nordmann. Was wir jetzt brauchen, ist Verbandszeug, Schnaps und viel Ruhe.“

Langsam schwankten sie zu ihren eigenen Taschen. Die Barbaren hatten sie gründlich durchsucht und scheinbar kein Interesse an den Stoffbinden gefunden. Mit einem Schnaufen ließen sich Nordmann und Waldläuferin fallen. Stumm, nur ab und an von einem gezischten Schmerzgeräusch unterbrochen, wenn Alkohol auf eine Wunde troff, begannen sie sich gegenseitig zu verbinden. Als die Stoffbandagen ausgingen, zerrissen sie die Nachtkleidung, die sie aus Njodgul mitgenommen hatten und nutzen diese als Verbandszeug. Als sie fertig waren, glichen sie mehr Mumien als Menschen. Mühsam stand Kjaskar auf, griff nach einer Axt, die neben den leblosen und kalten Fingern eines Barbaren lag und zog sie mit sich, während er zu einem Baum wankte. Babe folgte ihm langsam, als er sich mit dem Rücken erschöpft gegen den Stamm sinken ließ und die Waffe neben sich legte. Die Kriegerin folgte ihm stumm und ließ sich neben ihn zu Boden sinken und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Nach einem kurzen Moment hörte der Hüne sie regelmäßig atmen, und einen weiteren Augenblick später rutschte ihr Kopf an seiner Seite herunter in seinen Schoß. Der Nordmann blinzelte mehrmals, spürte eine bleierne Müdigkeit in seinen Knochen aufsteigen und sackte schließlich ebenfalls zur Seite.


- Anonymous - 12.07.2005

Leises Flügelschlagen direkt neben ihrem Ohr weckte die Kriegerin. Noch mit geschlossenen Augen wedelte Babe in der Luft herum, in der Hoffnung, das lästige Insekt so vertreiben zu können. Die kaum anstrengende Bewegung verusachte ihr aber solche Schmerzen, dass sie sofort schlagartig wach wurde und ihr der gestrige Tag in Erinnerung kam.
"Wir... werden zu alt für solche Späße, Babe..."
Die Worte Kjaskars klangen ihr noch im Ohr und selten hatte Babe einem Satz derart zugestimmt.

Vorsichtig, um den Nordmann neben ihr nicht zu wecken, drehte sich Babe auf den Rücken. Tiefhängende Äste einer Weide streiften ihr dabei sanft das Gesicht, was ihr das Groteske und Wunderliche an dieser Höhle ins Bewusstsein rief.
Babe blicke zu Kjaskar, der immer noch so tief schlief, wie es nur jemand konnte, der am vorigen Tag am Ende seiner möglichen Kräfte gewesen war. Der Blutverlust seiner tiefen Wunden hatten ihn geschwächt und würden sie der Vernunft gehorchen, so würden sie sich drei Tage lang ins Bett legen und sich von einer hilfreichen Seele stärkende Hühnersuppe reichen lassen. Da aber beide Komponenten nicht zur Verfügung standen, sollten sie zusehen, dass sie aus der Höhle herauskamen, bevor die Erschlagenen die Luft verpesteten.
Babe strich Kjaskar vorsichtig und zart über das Gesicht. Die Schnittwunde, die ihm Gromm zugefügt hatte, verkrustete bereits. Ihm würde eine Narbe zurückbleiben - eine von vielen. Wobei die stärkste Narbe der Tod Thorgrims sein durfte. Die Vermutung, dass er nicht mehr lebte, verstärkte sich mit jeder Minute ihrers Daseins. Gromm selbst hatte schließlich verlauten lassen, dass er ihm begegnet war.

Von ihrer Berührung geweckt, erwachte Kjaskar. Auch er stöhnte auf, als er sich bewegte.
"Bei Swafnir..." brummte er kaum hörbar. "Bei den Schmerzen, die ich habe, würde ich sie am liebsten gleich nocheinmal erschlagen."

"....Und ich würde dir dabei helfen," lächelte Babe ihm zu, während sie sich vorbeugte und ihm einen Kuss auf die heile Wange hauchte. Ihre Lippe tat ihr dabei weh, was ihr ein weiteres Mal zeigte, dass die Barbaren kräftig zuschlagen konnten.

Vorsichtig richtete sich Babe auf. Auch, wenn ihre Körper nach Erholung schrieen - sie mussten die Höhle verlassen. Sie vermutete, dass Kjaskar erst dann Ruhe finden würde, wenn er Thorgrims Leichnam gefunden hatte.

"Diese Höhle ist riesig," hörte Babe Kjaskar gerade in dem Moment murmeln, als sie überlegte, wo sie etwas zu Essen herbkommen würden. "Lass sie uns noch ein wenig untersuchen, bevor wir gehen."

Die Kriegerin nickte. Vielleicht konnte man irgendwo eine weiche Stelle in der Erde finden, wo man die Erschlagenen begraben konnte - dann wäre man von dem Leichengeruch sicher und die Höhle konnte wieder ungefährdet benutzt werden. Von wem, wusste Babe in diesem Moment zwar nicht zu sagen, aber es erschien ihr wichtig, den Berg wieder in einem Zustand zu verlassen, wie er Anfangs gewesen war.

"Vor oder nach dem Frühstück?" fragte sie deshalb in einem scherzhaften Ton. Sie stand auf, ging zu einen ihrer Rucksäcke und kramte dort von dem Trockenfleisch und dem Brot hervor. Beides hatten die Barbaren verächtlich in den Dreck geworfen, doch Babe hatte es am vorigen Tag noch zusammengesucht und zurückgelegt. Sie bot die Mahlzeit Kjaskar deshalb mit den Worten: "Den Schmutz musst du nur abstreifen," an, was dieser mit einem schiefen Grinsen kommentierte.

Eine halbe Stunde später, in der sich die Krieger gestärkt und ihre Wunden besehen hatten, streiften sie durch die Höhle. Pflanzen, von denen sie noch nie etwas gesehen oder gehört hatten, begegnete ihnen auf ihrem Weg und brachten sie immer wieder zum Staunen. In allem begleitete sie ein stetiges Plätschern des Wasserfalles, dem sie sich - dem lauter werdenden Geräusch nach zu urteilen - mit jedem Schritt näheten.

"Da vorne ist irgendetwas..." murmelte Babe plötzlich. "Pass auf...!"


- Anonymous - 12.07.2005

Schwerfällig stapfte der Hüne neben der Kriegerin durch die seltsame grüne Landschaft im Gestein. Die ganze Zeit über sprach er wenig und rang sich nur die Male ein Lächeln ab, wenn Babe ihn aufzumuntern versuchte. Doch schon einen Augenblick später verschmolz sein Gesicht wieder zu einer ausdruckslosen, verhärteten Maske, die außer grimmiger Ungeduld keine Emotionen trug. Die Natur um ihn rauschte bedeutungslos an ihm vorbei, während er starr und gebannt geradeaus starrte und vorwärts schritt. Die Worte Gromms hallten durch seinen Kopf, jagten umher und füllten ihn aus. Der dreckige Zwerg war ein Spielverderber... In Kjaskars Phantasie malten sich Hunderte von Bildern aus, die auf diese Worte zutreffen hätten können. Wenige davon gefielen ihm, alle anderen ließen ihn umso schneller laufen.

Babes warnende Worte ließen ihn nach geraumer Zeit wieder einen Blick auf seine Umgebung werfen. Die Dschungelhöhle verengte sich zusehends und verlor sich in einem einfachen Gang, vor dem die Vegetation wich. Der Fluss, der sich durch die Höhle geschlängelt hatte, floss ihn ihm hinein und führte neben einem aus dem Stein geschlagenen Weg in die Dunkelheit. Ein Rauschen ertönte aus der Schwärze, vor der ein Wolf zusammengerollt lag und sie zu bewachen schien. Grimmig nahm Kjaskar seine Axt in die Hand und beschleunigte seinen Schritt. Nach wenigen Schritten senkte er die Waffe wieder und wartete auf die ihm eilig folgende Babe. Der Wolf hielt Wache – bis in aller Ewigkeit. Sein Schädel war eingeschlagen und zertrümmert. Kjaskars Augen leuchteten, als er sich zu Babe umdrehte.

„Siehst du das? Bei den Göttern, der Treffer kommt von einem Hammer – einem Kriegshammer! Thorgrim kämpft mit einem! Wir sind auf dem richtigen Weg!“

Hastig holte er seinen Rucksack nach vorne, kramte aufgeregt in ihm herum und holt schließlich zwei grünlich phosphosierende Pilze hervor. Einen gab er Babe, dann trat er auch schon in die Höhle hinein. Kjaskars Bewegungen glichen nun einem sorgsam unterdrückten Sprint – wäre die Höhle heller beleuchtet gewesen, er wäre mit Sicherheit gerannt.

„Heda, renn nicht so... wir wissen nicht, was uns weiter vorne erwartet!“ warf Babe hinter dem Nordmann ein, aber ebenso gut hätte sie auch mit den Steinen reden können. Wie ein Jäger auf der Pirsch rannte Kjaskar weiter und fuhr ein verzweifeltes Lachen aus, als sie an der Leiche eines Barbaren vorbeikamen. Im Gehen drehte er sich zu der verzweifelt hinter ihm herlaufenden Kriegerin um.

„Haha, siehst du das? Sie scheinen ihn verfolgt zu haben, aber er hat sie zu ihren dreckigen Göttern geschickt! Hast du die zertrümmerte Kniescheibe des Toten gesehen? So kämpft nur Thorgrim – ich könnte ihn drücken dafür!“

Mit einem wilden Grinsen wandte er sich wieder um und lief weiter. Eine weitere Gruppe von Toten Menschen und Wölfen ließ ihn triumphierend auflachen und fast hüpfen vor Aufregung. Die dunkle, getrocknete Spur, die sich von dem Kampfplatz weiter in das Innere des Berges zog, sah er nicht.
Nach einer Biegung stießen sie auf eine weitere Ansammlung von Leichen, die Kjaskar überrascht innehielten ließ. Ein wahrer Hüne von einem Krieger lag zusammengekrümmt in dem Gang, umringt von drei Wölfen. Die Tiere hatten eingeschlagene Schädel und Brustkörbe, aber es war der Mann, der den Hünen in seinen Bahn zog.

„Bei... hier hat ein harter Kampf stattgefunden!“ Kjaskars Stimme wurde leiser, und der begeister-hysterische Klang wandelte sich langsam zu Entsetzen, als über den Kampfplatz schritt. Blut klebte an den Steinen, an den Wänden, ja sogar an dem Boden. Der riesige Barbar hatte zwei schwere Schwerter geführt, die zerbrochen neben ihm lagen. Aufgesprengte Kettenglieder lagen überall verstreut herum. Keiner der Barbaren hatte bisher Kettenpanzerung getragen.
Langsamer, aber dafür umso gebannter folgte Kjaskar der nun deutlich breiteren Blutspur, die sich immer weiter in den Gang zog. Babe hielt ihn am Arm fest.

Kjaskar schüttelte wie betäubt den Kopf und lief weiter. Eine weitere Biegung folgte, die ihn mit einem unterdrückten Stöhnen zusammenfahren und den leuchtenden Pilz aus der Hand fallen ließ. Fast krampfhaft stolperte er weiter, über dem ausgestreckten Leichnam eines wohlbeleibten Dachses, der mit aufgerissener Kehle auf dem Boden lag.

„Nicht gut, nicht gut, nicht gut, nicht gut....“ Kjaskar rannte nun, während er unentwegt den Kopf schüttelte. Licht drang vor ihnen aus der Höhle. Schritt für Schritt wurde das konstante Rauschen lauter, als sich der Gang ins freie öffnete. Der Fluss, der sich die ganze Zeit neben dem Höhlengang geschlängelt hatte fuhr hier krachend in eine tiefer gelegene, dunkle Grotte und verschwand. Weiße Gischt fuhr aus der Dunkelheit auf und fiel auf den Weg. Dieser schlängelte sich um den Eingang der unterirdischen Kaverne und führte zu einem höhergelegenen, wehrhaften Podest. In der Höhe eines ausgewachsenen Zwergenkriegers bot er mit mehreren Schusslöchern eine perfekte Stelle, um die kleine Steintreppe, welche sich den Berg hoch zu dem Eingang des Höhlensystems schlängelte, unter Beschuss zu nehmen.
Babe stolperte auf das Podest und riss im gleichen Moment die Hände an den Mund. An dem Wall, mit dem Rücken zum Stein, fanden sie Thorgrim. Um ihn herum lagen ringförmig verteilt die toten Überreste von mehreren Männern und Wölfen, alle mit zertrümmerten Gliedmassen und Knochen. Die furchterregende Waffe, die dies zustande gebracht hatte, lag blutverschmiert vor ihnen, in der Nähe der steifen Finger ihres Besitzers. Kjaskar hockte über dem kalten Leichnam des Angroschims, eine Hand auf seine Schulter ruhend und mit zusammengekniffenen Augen. Der Körper des Zwerges sah übel zugerichtet aus. Überall war der blutige Kettenpanzer aufgerissen und zeigte klaffende Wunden darunter. Ein besonders tiefer Hieb quer über seine Brust hatte ihn offensichtlich gefällt. Rotes, getrocknetes Blut lag auf seinen Lippen, fiel auf den rötlichen Bart und tränkten ihn mit seinem Lebenssaft.
Thorgrim hatte sich heldenhaft gegen seine Häscher geschlagen und hier sein Ende gefunden.

Ein Schrei durchdrang die Stille. Kjaskar kniete vor dem Angroschin, den Körper zurückgebeugt und die Hände anklagend in den Himmel gereckt. Wut und Verzweiflung wandelten sich zu einem Brüllen, das den Körper des Hünen hin- und herwerfen ließ. Als er keinen Atem mehr hatte, fiel er schließlich nach vorne und begann zu schluchzen. Heiße Tränen des Schmerzes und des Verlustes liefen über sein dreckiges Gesicht, während er sich über den Leichnam seines Freundes beugte...


- Anonymous - 12.07.2005

Kjaskar schien die Schmerzen seiner Wunden nicht mehr zu verspüren, so wie er die letzten Minuten vorangestürmt war. Babe jedoch, die Mühe hatte, ihm zu folgen, unterdrückte dann und wann ein Aufstöhnen. Es erschien dem Nordmann so wichtig, seinen Freund Thorgrim zu finden, dass sie ihn nicht mit ihrem Gejammer aufhalten wollte. Sie stolperte deshalb - den seltsamen Pilz in der einen Hand - hinter ihm her, bis sie letztendlich am Ziel angekommen waren.

...Thorgrim

Erschlagen in seinem eigenen Blut, die Waffe noch in der Hand, ein kalter und grimmiger Ausdruck im toten Gesicht.
Während Kjaskar seinem Leid lautstark Ausdruck gab, betrachtete Babe den Zwergen genauer. Schon nach wenigen Sekunden musste sie vor sich selbst eingestehen, dass sie ihn wahrscheinlich nicht wiedererkannt hätte, wäre sie ihm auf der Straße Roms begegnet. Sein Bart lag verfilzt und in wilder Unordung über dem Bauch und das Haar war grauer, als sie es in Erinnerung hatte. Das Leben unter dem Berg musste ihn sehr verändert haben - mehr, als das Leben in der Otta es getan hätte.

Die Kriegerin wartete, bis Kjaskar seinem Schmerz herausgeweint hatte. Sie selbst war zu erschöpft zum Trauern, zumal Thorgrim für sie mehr ein Fremder gewesen war. Ihr war aber auch bewusst, dass sie nicht anders handeln würde, wenn statt des Zwerges Rogar, der Sohn Kamikazes dort liegen würde. Traumtaenzer, Imothep, Maurus, Valhalla, Lyra, Robina... Alles Waldläufer, die sie schätzte und liebte. Ihr Kummer würde keine Grenzen kennen, wenn sie einsam im Berg gestorben wären - ohne ihr eine Möglichkeit gegeben zu haben, sie zu schützen und ihnen bei ihrem Kampf beistehen zu können.


In dem Moment, in dem Kjaskars Schluchzen leiser wurde, trat Babe an ihn heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Komm," sagte sie sanft. "Lass ihn uns hier begraben. Hier war sein Ende und hier sollten wir ihm ein Denkmal setzen."

Ohne ihr zu antworten, oder sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, erhob sich der Nordmann. Immer noch schweigend nahm er Thorgrim auf die Arme und setzte ihn an eine Wand. Nachdem er ihm seinen Hammer in die Hand und den Kettenpanzer ein wenig zurechtgerückt hatte, ging er zurück zu der Stelle, wo der Dachs gelegen hatte. Vorsichtig nahm Kjaskar das tote Tier auf die Arme und legte es anschließend auf Thorgrims Schoß. Nachdem er den einen Arm noch um den Dachs herumdrapiert hatte, begann er Steine um die Beiden herum aufzuschichten. Babe half ihm dabei, indem sie immer wieder zurücklief und neue herbeischleppte. Vergessen war der Schmerz und vergessen die Erschöpfung - bis sie eine Stunde spätervor dem vollendeten Werk standen. Dann aber setzte sich ein gequälter Gesichtsausdruck in ihrer Miene fest, die einem Unbeteiligten die Sorge ins Gesicht getrieben hätte.

"Ich schreibe noch etwas..." murmelte Babe, bereits wieder den Boden nach einem passenden Stein absuchend, der ihr als Tafel dienen konnte. "Das sind wir einem großen Krieger schuldig."

Sie fand eine passende Steintafel in der Nähe des unterirdischen Flusses, schleppte sie zurück zum steinernen Grab und setzte sich dann mit ihr auf den Knieen davor. Als Stift wollte sie den Pilz nehmen - der von seiner Konstistenz eher ein Stein war. So würde - sobald man mit einer Fackel die Höhle betrat, das Geschriebene wieder aufleuchten und lesbar sein können.

Hier ruht Thorgrim, ein Sohn Angroschs
Tapferer Streiter und Mitglied der Sturmwind-Ottajesko.

Moradin telortor baraklartor - Moradin, der Seelenschmied, schütze unsere Seelen



Mit dem leichtem Zweifel, ob sie wirklich die richtigen Worte gefunden hatte, stand Babe auf und legte die Tafel so auf der Spitze des Steinhaufens ab, dass sie nicht herunterrutschen konnte. Währendessen schleppte Kjaskar all die Leichname zusammen, die Thorgrim auf seinem langen und einsamen Weg bis hierher erschlagen hatte und häufte sie um den Steinhaufen herum auf.

"Sollte irgendwann einmal jemand diese Höhle betreten," gab er immer noch grimmig und von Kummer gezeichnet als Erklärung ab," dann weiß er sofort, dass er vor einem Grab steht, das einen wahren Krieger in sich ruhen hat."

Babe nickte nur und trat dann zurück, um ihrer beider Werk zu begutachten. Sie hatten für Thorgrim getan, was sie konnten, mehr ging unter den gegebenen Umständen nicht. Es blieb für sie hier deshalb nichts mehr zu tun.

"Kjaskar" sagte sie deshalb in einem Ton, als würde man ein Kind heimführen wollen. "Lass uns Thorgrims letzten Kampf bis in die Otta tragen, wo sie auf immer in Erinnerung bleiben wird.."

Die Kriegerin wandte sich um und hielt auf das Ende der Höhle zu. Ein langer und beschwerlicher Rückweg lag vor ihnen - je eher sie sich auf den Weg machten, umso eher würden sie wieder in der Otta sein und ihre Hühnersuppe löffeln können.



- Anonymous - 12.07.2005

„Gib mir einen letzten Moment mit ihm. Bitte...“ Kjaskar senkte seinen Kopf. Blonde Strähnen fielen über sein Gesicht, so dass er Babes Nicken nicht sah. Das Geräusch ihrer sich entfernen Stiefel ließ ihn seinen Blick wieder auf das Grab richten. Beinahe verzweifelt genoss er den kurzen Moment der Einsamkeit, den sie ihm mit dem Zwerg gegeben hatte. Sein Blick fiel auf den Steinhaufen, wanderte über die vielen Leichen der erschlagenen Gegner und fiel dann in den Höhleneingang.

Das Gefühl des Verlustes, des entgültigen Abschiedes füllte Kjaskar aus. Wie in einem stummen Gebet senkte er seinen Kopf, während sich seine Gedanken in den Erinnerungen an den Zwergen und der Vergangenheit befanden. Die Bilder in seinem Kopf kamen traten plötzlich auf, eines führte zu einem anderen.
Thorgrim, der Zwerg. Söldner und Handwerker. Saufendes Ekelpaket und überraschend kluger Kopf in einem. Der ewig meckernde, bärbeißige Angroschim, der für seine Gefährten jederzeit sein Leben gegeben hätte...
Der Thorwaler und der Zwerg waren vor einer halben Ewigkeit aufeinander getroffen, hatten sich auf Anhieb gut verstanden und miteinander gesoffen. Fortan reisten sie mit einer kleinen Schar an Abenteurern durch Aventurien. Sie stritten mit Elfen, kämpften in Traumwelten gegen Ungeheuer und Dämonen, waren auf den Spuren uralter Reliquien und kämpften immer wieder. Aber erst die Geschichte in Olport und die anschließende Reise zum Horizont hatte das enge Band zwischen den beiden ungleichen Kriegern geknüpft, dass so lange zwischen ihnen hielt. Thorgrim hatte dem Hünen in dessen schlimmsten Zeit beigestanden und ihn wieder auf die Beine geholfen. Zusammen mit Miguele, Vantessa, Thorbald, Xerkramon, Korhal und den anderen waren sie anschließend in dieses fremde Land gereist. Sie alle folgten Kjaskar. Einem Mann, welcher vor der jüngsten Vergangenheit floh. Ohne Sinn und Verstand segelten sie in das Horizont, einem Abenteuer entgegen. Dem Größten, das sie in ihrem Leben erhoffen durften. Das allerletzte für alle. Außer Kjaskar.

Der letzte seiner aventurischen Gefährten war entgültig von ihm gegangen. Plötzliche Einsamkeit erfasste ihn, als er über diese Tatsache nachdachte. Er war nun entgültig alleine in dieser fremden Welt. Er, der er sie alle mit auf ein großes Abenteuer nehmen wollte, hatte ihr aller Untergang bestimmt. Dieses Land hatte ihnen nicht das Abenteuer gegeben, das sie gesucht hatten. Warum nur? Kjaskar hatte sich nie wirklich Gedanken um den Tod gemacht – und er hatte ihm schon oft gegenüber gestanden. Er provozierte ihn immer wieder, ein um das andere Mal. Und starb doch nicht.
Er fühlte ein neues Gefühl in ihm, Scham. Wie konnte er in so einem Moment nur an sich selber denken? Und doch konnte er nicht anders, während sich seine Hände verkrampften. Warum fanden seine Gefährten den Tod, wo er ihn regelrecht zu verlangen schien? Was hatte Thorgrim getan, dass er solch einen Tod verdiente? Einsam, verlassen, von einer Meute Barbaren durch seinen eigenen Berg gejagt. Wie musste er sich gefühlt haben, als er bemerkte, dass er nicht gegen sie ankam? Ein trauriges Lächeln rang sich dem Hünen ab, als er über die Leichen um das Grab des Zwergen blickte. Er hatte gekämpft, wie ein wahrer Held. Hatte sich gestellt und war nicht weiter davon gelaufen. Hier auf diesem Plateau hatte er sein Schicksal selbst in die Hand genommen und sich für einen wahren Platz an Ingrimms Esse entschieden. Und doch...

Kjaskar kniff die Augen zusammen, als er die brennenden Schuldgefühle zu verdrängen versuchte, die sein Herz zu zerreißen drohten. Thorgrim war alleine gestorben. Einsam und verlassen hatte er den letzten Hieb entfangen. Und Kjaskar war nicht da, um ihm beizustehen. Bilder von einem blonden Thorwaler schossen ihm durch den Kopf. Thorbald war damals einsam und alleine gegen eine Horde Reiter gefallen. Sein Tod hatte den Verteidigern der Siedlung wertvolle Augenblicke geschenkt, die ihnen schließlich den Sieg erbrachten. Kjaskar war damals betrunken, rang mit seiner Vergangenheit. Ein anderes Bild schoss ihm durch den Kopf. Vantessa. Die ehemalige Magierin und Architektin fiel in einem anderen Kampf. Alleine verteidigte sie den Holzturm, den sie selbst errichtet hatte. Kein Angreifer schaffte es, ihn einzunehmen, selbst als die stolze Frau ihn nur noch alleine hielt. Kjaskar erinnerte sich an den unmenschlichen Schrei, als der von Feuerpfeilen hervorgerufene Brand Vantessa erreichte. Die Schreie verfolgten ihn noch immer in unruhigen Nächten...

Für einen Moment rang der Hüne mit seinen Gefühlen, bevor er sie ihn übermannten. Schluchzend brach er auf seine Knie und ließ seinen Tränen freien Lauf. Er selber hatte sie umgebracht. Seit dem Betreten der Wellenreiter in Thorwal hatte er ihr aller Schicksal bestimmt. Der Zeitpunkt des Todes stand damals vielleicht noch nicht fest, aber es war sicher, dass er ihnen nicht beistehen würde...
Nach einer Weile rappelte sich der Hüne wieder auf und zog laut seine Nase, bevor er sich mit seinem zerfetzten Hemdärmel über das Gesicht fuhr. Eine entschlossene Ruhe breitete sich in ihm aus, als er nach dem gewaltigen Trinkhorn an seiner Seite langte und es auf den Steinhaufen legte. Ein schwaches Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht ab.

„Ich weiß, dass du über Ingrimms Esse fluchen würdest, wenn ich dir eine Blume auf dein Grab legen würde, alter Freund. Nimm das deswegen – es sollte für den ersten Durst reichen, bis ich dich eines Tages bei deinem Gott besuchen gehen werde. Und dann werden wir unser wiedersehen feiern, wie bei unserer ersten Begegnung....“

Eine Träne lief über die verdreckte Wange des Hünen, als er auf das Steingrab des Zwergen blickte. Nach einem Augenblick schloss er die Augen, drehte sich um und schritt davon...


- Anonymous - 12.07.2005

Nachdenklich blickte Babe auf die dunkelroten Pfützen, die überall in dem Gang verteilt lagen. Das Licht des Pilzes ließen die getrockneten Blutreste fast schwarz wirken, auch weil der Lichtkreis ihrer provisorischen Beleuchtung nur bis knapp vor ihre Füße reichte.Versunken in dem Anblick des Blutes und in ihren eigenen Gedanken blickte sie erst auf, als das leise Schluchzen Kjaskars an ihr Ohr drang.
Einen Moment lang zögerte Babe, hin und hergerissen von dem Wunsch, den Nordmann in dieser Stunde beizustehen und dem Wissen, dass er allein zu sein wünschte. Letzteres obsiegte aber nach einigen Sekunden des Harrens und sie ging den Gang entlang, um wenigstens dem Weinen zu entgehen.

Am Ende des Ganges angekommen zögerte sie wieder. Immer noch konnte sie Kjaskars Kummer hören - ein Grund für sie, den Gang zu verlassen und am Fluss entlangzugehen, der nun endlich jedes Geräusch erstickte.
Babe setzte sich auf einen größeren Stein und blickte in den Fluss, dessen Rauschen in dieser Umgebung ungewohnt klang. Sein Wasser sah ebenfalls schwarz aus, was sie unwillkürlich frösteln ließ.
"Eine seltsame Umgebung," dachte Babe, die ihre Blicke schweifen ließ. "Was treibt einen Zwerg nur in eine Miene, wenn er doch bei Luft und Licht leben könnte?"
Noch während sie ihren Überlegungen nachhing, entdeckte sie plötzlich eine Art Übergang über den Fluss. Er war ihr vorhin nicht aufgefallen, da sie nur Augen für die Erschlagenen gehabt hatten. Jetzt aber konnte sie deutlich sehen, dass große Steine so im Wasser lagen, dass man einigermaßen problemlos übersetzen konnte.
Neugierig streifte Babe ihren Rucksack ab und trat ans Ufer. Trotz des schwachen Lichtes konnte man erkennen, dass auf der anderen Seite des Flusses ein Weg weiterführte. Ein toter Wolf lag dort, wo man das Ufer wieder betrat - seine Hinterläufe lagen im Wasser, wo sie immer wieder umspült wurden.

Wieder starrte Babe auf die dunklen Flecken zu ihren Füßen. Irgendjemand hatte die Behelfsfurt benutzt - für sie ein Zeichen, dass auf der anderen Seite etwas zu finden war. Die Kriegerin löste daraufhin die Armbrust von ihrem Rucksack und entnahm aus ihrer Gürteltasche einen Bolzen. Nachdem sie ihn hineingelegt hatte, betrat sie - nur mit ihrer Pilzlampe und der Armbrust ausgestattet, den ersten Stein im Fluss.
Sofort umspülte kaltes Wasser ihre Füße und durchnässten ihre Stiefel. Anders als der Schnee drang das Wasser durch ihre Felle hindurch bis zu ihrer Haut. Babe sprang deshalb rasch auf die nächsten Steine bis sie am anderen Ende angekommen war.
Dort blickte sie nocheinmal an das andere Ufer zurück. Ihr Rucksack war kaum zu erkennen, die Wand dahinter überhaupt nicht. Dafür konnte sie nun sehen, dass auch an dieser Seite des Ufers ein Weg entlangführte - geradewegs in ein Loch in dem Fels, der gerade groß genug für ein Zwerg war.

Oder eine schlanke und geschmeidige Kriegerin....

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Babe einen neuen Teil der Miene betreten hatte.


- Anonymous - 14.07.2005

Vorsichtig trat Kjaskar durch den dunklen Gang. Das Tageslicht verlor sich schnell nach einigen Biegungen und ließ den Hünen in der Dunkelheit zurück. Mehr tastend als gehend fluchte er mehrmals, als er mit seinem Körper gegen Fels stieß. Innerlich bereute er es bitterlich, den Leuchtpilz fallen gelassen zu haben. So war er gezwungen, sich seinen Weg an den Wänden entlang tastend zurück in die Dschungelhöhle zu finden. Immer wieder fuhren seine Finger gegen spitze Kanten, die aus dem Felsen hervorragten und ihm die Nägel aufschlugen. Als er zum hundertsten Mal unerwartet gegen Fels stieß und er zum wiederholten Male einen unterdrückten Fluch ausstieß, ertönte ein kratzendes, lautes Geräusch durch den Gang. Von einem Augenblick zum nächsten verharrte Kjaskar in seiner Bewegung und hielt den Atem an. Das Geräusch verklang und hinterließ eine nun beunruhigend wirkende Stille. Als sich nach einem Augenblick immer noch nichts tat – keine wütende Horde kam brüllend auf den Hünen zu – atmete er erleichtert aus und machte sich daran, den dunklen Gangabschnitt schnellstmöglich hinter sich zu lassen. Seine Hände fuhren zur Wand – und griffen ins Nichts. Mit seinem Gleichgewicht kämpfend brauchte der Nordmann einen Moment, um die Situation richtig einzuschätzen und das plötzliche Loch auf seiner linken Seite richtig auszutasten. Neben ihm ragte ein Durchgang auf, der einen Moment zuvor noch nicht da gewesen war. Ein Geheimgang?

Nervös befeuchtete Kjaskar seine aufgeplatzten Lippen und überdachte seine Situation. Babe war irgendwo weiter voraus und wartete auf ihn. Dieser Durchgang mochte sonst wo hinführen, zu ganz neuen Gefahren. Logik kämpfte in dem Inneren des Hünen gegen die plötzlich mit aller Gewalt auftretende Neugier an, rang mit ihr einen Moment und verlor schließlich. Gebannt tastete Kjaskar sich durch den Durchgang. Die Öffnung führte grob in Richtung Dschungelhöhle, was auch seine letzten Zweifel vertrieb und ihn langsam weiter trieb. Nach einigen hundert Schritten, mehreren Biegungen und einer ganzen Reihe von unsanften Zwischenstößen mit der rauen und unebenen Felswand zeichnete sich langsam ein Leuchten von weiter vorne im Gang ab. Schritt für Schritt wurde der Gang heller und überschaubarer, während sich weiter vorne die Ränder eines hellen, leuchtenden Rechtecks abzeichneten. Die Augen des Nordmanns begannen zu Tränen, je näher er an das Licht trat, und nach weiteren Schritten stand er vor einer weiteren Felswand. Neugierig untersuchte er sie mit seinen Händen, bevor er nach einem Augenblick einen losen Stein fand, der sich nach unten drücken ließ. Mit einem lauten Knarren drückte sich die Wand gegen den Hünen, der überrascht einige Schritte nach hinten zurück wich. Blendendes Licht schlug ihm entgegen und ließ ihn für einen Moment nichts sehen. Nur langsam gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit, so dass er sich umschauen konnte.

Der Mechanismus hatte ihn in eine von blendendem Licht gefüllte Höhle geführt. Die Helligkeit drang von weit oben herein, und erst nach einem Moment realisierte der Nordmann, dass er nicht im freien Stand. Metallstreben zogen sich zwischen die Felswände und hielten festes, schweres Glas zwischen sich fest. Verblüfft trat Kjaskar einige Schritte in die Höhle, den Blick zur Decke gerichtet und bestaunte diese unglaubliche Konstruktion. Seine Kinnlade fiel ein weiteres Mal herunter, als er sich im Kreis drehend vorzustellen versuchte, was für ein Aufwand der Bau dieses Glasdach hier im hohen Norden gekostet haben musste. Erst nach einem Moment fiel ihm die Einrichtung der Höhle auf. Werkbänke und Tische füllten fast vollständig den Platz zwischen den Wänden. Auf ihnen lagen Dutzende von Werkzeugen, Unmengen von verschiedensten Materialien wie Holzteile, seltsam geformte Steine, mechanisch anmutende Konstruktionen und vielerlei anderer Dinge, die Kjaskar noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte.

Bevor sich der Hüne jedoch weiter umschauen konnte, ließ ihn ein Geräusch in seiner Nähe herumfahren. Sein Blick fiel in einen Gang, der aus dieser Höhle führte und aus dem die Geräuschquelle kam. Drei Tage des Kampfes, des Leidens und der Qualen ließen ihn instinktiv reagieren – rasch nahm er sich ein längliches, metallenes Rohr von einem der Tisch und schlich zu einem aus dem Gang heraus nicht sichtbaren toten Winkel und wartete. Wartete auf weitere Barbaren, Wölfe oder schlimmeres...


- Anonymous - 15.07.2005

Ein niedriger Gang erwartete Babe, der wie die ganze Miene in völliger Dunkelheit lag. Die Decke war gerade so hoch, dass sie in geduckter Haltung gehen musste - ein Umstand, der sie schmerzlich an die Wunde in ihrem Bauch denken ließ. Im grünlich-fahlen Licht konnte Babe zudem erkennen, dass Boden und die Wände uneben waren. Es war offensichtlich, dass dieser Gang nicht für den alltäglichen Weg gedacht worden war. Sie vermutete, dass er als Fluchtweg oder Abkürzung angelegt worden war.
Am Ende des Ganges stieß Babe auf eine glatt gehauene Wand. Sie wäre umgedreht, wenn sie nicht durch den Durchgang in der Badegrotte geahnt hätte, dass sich eine Tür darin befand. So aber begann sie damit, die Wand abzutasten in der Hoffnung, einen geheimen Mechanismus zu finden, mit der sie sie öffnen konnte.
In dem Moment, als sie schon aufgeben wollte, ertasteten ihre Fingerspitzen eine kaum spürbare Vertiefung im Fels. Eine Art Knopf lag darin eingebettet, der sich mit etwas Mühe niederdrücken ließ.
"Oh.."
Babe drückte gegen die kleine Tür, die sofort und erstaunlich leicht aufsprang. Fast wäre sie deshalb in den Raum gefallen, der sich hinter ihr eröffnete.
Licht flutete ihr entgegen, die Babe instinktiv einen Arm hochreißen ließ um ihre Augen zu schützen. Die Armbrust, die sie in der Hand gehalten hatte, entfiel ihr dadurch und fiel mit einem lauten Poltern auf den Steinfußboden. Erschrocken und immer noch geblendet, presste sich Babe sich an die Wand hinter sich. Instinktiv tastete ihre Hand dabei nach der Armbrust zu ihren Füßen. Gleichzeitig blinzelte sie unter ihrem Arm hervor, darauf hoffend, dass sie sich nicht wieder irgendwelchen Horden gegenüberstand.

Sekunden verstrichen. Ein Gefühl der Erleichterung machte sich in Babe breit, als kein Knurren oder ein anderes Zeichen der Anwesenheit Fremder zu hören war. Vorsichtig und langsam senkte Babe ihren Arm, um gleich darauf ungläubig in die geräumige Höhle zu blinzeln. Anschließend schob sie sich an der Wand hoch und verharrte dort, wo sie fasziniert den Raum betrachtete.
Sie war in Thorgrims Schlafzimmer gelandet. Das Licht, das sie geblendet hatte, entstand durch einen einzigen Strahl, der direkt aus dem Berg zu kommen schien. Viele kleine Spiegel, die überall im Raum verteilt standen, lenkten ihn so oft um, dass es den Anschein hatte, als wäre es taghell.
"Faszinierend," murmelte Babe während sie sich von der Wand löste. "Unglaublich."
Ihr Blick ging zum breiten Bett, auf dem die Felle in wilder Unordnung lagen. Es wirkte, als wäre Thorgrim soeben erst aufgestanden. Kleidungsstücke, die alle aussahen, als wären sie schon lange nicht mehr gewaschen worden, lagen unordentlich verteilt auf dem Boden. Immer noch staunend ging Babe von einem Kleidungsstück zum anderen, hob es auf und warf es auf das Bett. Es war ihr nicht bewusst, dass sie Thorgrims Höhle aufräumte, als wäre sie seine Mutter, so staunte sie über die persönliche und intime Atmosphäre dieser Höhle. Während ihres Tuns glitten ihre Blicke jedoch weiter in der Höhle umher, registrierten die Kleidertruhe in der Ecke, den kleinen Tisch, an dem zwei Stühle standen und den wuchtigen Schreibtisch. Auf dem Tisch stand ein Teller mit irgendeinem Eintopf. Ein dicker Schimmelpanzer hatte sich darüber gelegt, so dass Babe mit einem Naserümpfen das soeben aufgelesene Hemd darüberwarf und zum Schreibtisch trat.
Ein Wust an Papieren und Notizen bedeckten das dunkle Holz des Arbeitstisches. Vorsichtig zog Babe die Pergamente auseinander, bis sie eine Zeichnung in ihren Bann zog, die sie in die Hand nahm und zu studieren versuchte. Es zeigte eine Art Eisenrohr, an denen verschiedene Anbauten angebracht worden waren. Die Kriegerin drehte und wendete das Pergament einige Male in der Hand, um deren Sinn zu verstehen. Doch egal, wie sie das Pergament hielt - sie konnte keinen selbst auf den dritten Blick hin erkennen. Es erschien ihr unsinnig, an einem Rohr irgendwelche Dinge zu befestigen. Zwar ahnte sie, dass die Zeichnung vielleicht eine Art Armbrust darstellen sollte, aber sie konnte nichts erkennen, woran man einen Pfeil oder Bolzen befestigen hätte befestigen können.
Nachdenklich legte Babe das Pergament hin und griff zu einem anderen. Es zeigte eine stilisierte Person, die die soeben gesehene seltsame Armbrust trug. Wieder konnte Babe keinen Bolzen an der Waffe erblicken, obwohl das Männchen sie auf Augenhöhe genommen hatte.
"Vielleicht kommt der Bolzen aus dem Rohr heraus?" fragte sich die Kriegerin mit einem leichten Kopfschütteln. "Oder er wird an der Seite befestigt?"
Sie wollte sich bereits vom Schreibtisch abwenden, als ihr ein anderes Schriftstück ins Auge fiel. Die Schrift war unregelmäßig und zeigte einen steilen Neigungswinkel nach Rechts an. Ein Zeichen dafür, dass der Schreiber es beim Verfassen entweder eilig gehabt hatte oder es persönliche Notizen waren. Babe zögerte kurz. Normalerweise beachtete sie die Post anderer Leute nicht, aber Thorgrim war tot und es könnte ja sein, dass der Brief auf jemanden hinwies, dem man antworten sollte. Sie nahm deshalb das Pergament auf und begann zu lesen.
Gleich darauf ließ Babe das Schriftstück jedoch wieder sinken. Der Brief war auf zwergisch verfasst worden und somit unlesbar für sie. Selbst wenn Thorgrim auf dem Schriftstück eine Verschwörung gegen den Imperator angezettelt hätte - sie würde nichts davon lesen können.
Enttäuscht ließ Babe das Pergament sinken und griff zu einem anderen. Dieses war in lateinischer Schrift verfasst worden und konnte somit wesentlich interessanter sein. Sie überflog deshalb das Pergament, stutzte nach dem Lesen, las es wieder und blickte anschließend auf das Siegel, das daruntergesetzt worden war.
"Ich kenne das Siegel." Babe dachte die Worte nur, während sie den wachsroten Fleck betrachtete. "Ich weiß nicht, wem es gehört, aber ich habe es schon einmal in Rom gesehen."
Wieder zögerte Babe. Es war offensichtlich, dass Thorgrim an etwas gearbeitet hatte, das für eine hochgestellte Persönlichkeit sehr wichtig gewesen war. So wichtig, dass er sich in einen Berg verzogen hatte, um nicht gestört zu werden oder damit niemand außer ihm und dem Verfasser dieses Schreiben davon bekannt war.
Unschlüssig, was sie tun sollte, starrte Babe weiter auf das Siegel. Thorgrim hatte anscheinend selbst vor seinem Hetmann ein Geheimnis gehütet. Ihr gegenüber hatte Kjaskar aber einmal erwähnt, dass er niemals erfahren hat, warum der Zwerg die Ottajesko verlassen hatte. Sie überlegte deshalb, ob es ihm Genugtuung oder wenigstens eine Linderung seines Kummers verschaffen könnte, wenn sie ihm die Pergamente übergab.
Nach kurzer Überlegung raffte Babe die Pergamente zusammen, faltete sie und steckte sie in ihren Ausschnitt bis hinunter zu ihrem Bauch. Anschließend verließ sie die Höhle, nicht ohne einen letzten Blick in sie zu werfen.

An Thorgrims Schlafzimmer grenzte fast übergangslos die Küche. Die gleichen Lichtverhältnisse und die gleiche, wilde Unordnung, die sie in seinem Schlafraum vorgefunden hatte, herrschte auch hier. Auf dem Regal über der Herdstelle standen Krüge und Töpfe. Einige von ihnen waren umgeworfen worden und Scherben, die auf dem ganzen Boden verstreut lagen, zeugten davon, dass ein Kampf stattgefunden haben musste. Die Kriegerin zuckte unwillkürlich zusammen und trat einen Schritt zurück. Ein irdener Krug, noch halbvoll mit schalem Bier, flog daraufhin von einer Konsole und zersprang mit einem hellen Klirren auf dem steinernen Boden.
Erschrocken horchte die Kriegerin auf. Der Krach war ihr in der leeren Höhle unwirklich laut erschienen. Es war, als würde der ganze Berg den Atem anhalten. Ein unbestimmtes Gefühl der Einsamkeit erfasste sie, das sie nach vorne stürmen ließ - in den Gang, an dessen Ende ein Licht zu sehen war.
Wenig später blieb sie jedoch wieder abrupt stehen. Sie war in einer kleineren Halle angelangt, die von einem Glasdach überspannt worden war. Bevor sie sich allerdings näher umsehen konnte, nahm sie aus den Augenwinkel heraus eine leichte Bewegung wahr. Die Erfahrungen der letzten Tage zwangen Babe sofort, sich hinter einer der Tische zu werfen. Die Armbrust in der Hand, blieb sie dort angespannt sitzen.