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Der Weg in die Freiheit
Rael_Steinbrecher
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ehemaliger Gladiator

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Beitrag #1
Der Weg in die Freiheit
Der Weg in die Freiheit

Lange hatte sie auf diesen Tag gewartet, hatte ihm entgegen gefiebert, sogar davon geträumt. Endlich, endlich war er gekommen. Angefangen hatte er recht unspektakulär, wie ein jeder Tag hier in diesem römischen Bordell. Angefüllt von Arbeiten, die wie immer zu erledigen waren und doch hatte dieses Beben, das Kribbeln der Vorfreude sie niemals wirklich losgelassen. Die Spannung hatte sie förmlich umgebracht und doch war ihr nach außen hin, wie so oft nichts von alle dem anzumerken. Die Schminke, die sie aufgetragen hatte, konnte zwar ihre roten, erhitzten Wangen verbergen – nicht jedoch das Glänzen ihrer Augen.

Die Luft, die durch das Zimmer wallte und die Gardinen aufbauschte, unterstrich das Kribbeln auf ihrer Haut. Ein sanfter Schauer fuhr ihr den Rücken hinab, als sie den Mörser fester in die Hand nahm, an ihren wohl gerundeten Bauch presste und die Samen darin zerstieß. Mit viel Liebe ging sie dabei vor, als streichelte sie einen alten Geliebten, dessen Vorlieben sie genau zu kennen schien. Mit jedem Stoß zermalmte sie die Samen, bis nur noch ein feiner Samenstaub übrig war. Ein Seufzer der Vorfreude durchfuhr ihren Körper, als sie nun die Weinkaraffe nahm und das gerade gewonnene Pulver dort hineinrieseln ließ.

Man hatte ihr zugesagt, dass die Samen langsam wirken würden. Sie waren in Rom berüchtigt für ihre Wirkung. Euphorie, Glück und in höheren Mengen dann die langsam aufkeimende Müdigkeit, gegen die man irgendwann nicht mehr ankämpfen konnte. Immer mal wieder hatte sie sich etwas von den Samen auf dem dunklen Märkten Roms besorgt und immer wieder hatte sie keine davon auch nur angerührt. Diese Samen, dieses Mittel war für einen bestimmten Tag auserkoren. Und nun war dieser Tag gekommen. Heute hatte sie ein letztes Mal den Händler bemüht, der sich freute, seiner wichtigsten Kundin wieder zu Diensten zu sein.

Mit einem fast fanatischen Lächeln griff sie zu dem langstieligen Löffel und rührte den Rotwein gemächlich um. Wie eine dunkle Wolke der Vorahnung verteilte sich das Samenpulver im Wein und löste sich mit jeder Umdrehung des Löffels in Nichts auf. Ganz als würde das ewige Warten endlich in Wohlgefallen zerfallen. Und zurück bliebe nur das vollkommene Glück. Es war vollbracht!

Sie strich ihr ausladendes Kleid glatt und ließ ihren Blick durch das Zimmer gleiten. Alles war wie immer hergerichtet. Das Bett frisch bezogen, die Wasserschale mit warmem, dampfendem Wasser stand zum Waschen bereit und auch die Karaffe fand ihren angestammten Platz neben dem Kamin. Sie rückte ein letztes Mal die beiden Kelche zurecht, aus dem sie später trinken würden und strich über den Kaminsims, als würde sie bereits einen warmen, gestählten Körper streicheln. Heute war der Tag der Tage. Heute würde es passieren. Alles war perfekt vorbereitet. Ebenso wie sie sich auf diesen Tag vorbereitet hatte. Sie war so bereit, wie sie es niemals wieder im Leben sein würde. Sie waren füreinander bestimmt bis in den Tod.


***


Mit einem Mal war alles still. Langsam, fast andächtig zog er die Klinge aus der Leiche, welche zu seinen Füßen im Staub lag. Sein Brustkorb hob und senkte sich unter der Anstrengung seinen Körper mit ausreichend Luft zu versorgen. Sein Puls jagte kreischend Blut durch seine Adern und er spürte, wie die Anspannung, wie das Adrenalin langsam von ihm wich. Schweiß glänzte auf seinem trainierten, nackten Brustkorb. Auch seine Säfte tropften auf den Boden und vermischten sich mit dem Blut der Niederlage seines Gegners. Niemals zuvor hatte er so gekämpft. Niemals zuvor hatte er sich und seinem Körper so viel abverlangt. Doch dieser Kampf war ein besonderer. Bei diesem Kampf war es um seine Freiheit gegangen. Er hatte alles gegeben und gesiegt.

Langsam richtete er sich auf, stützte sich auf sein Knie, während er sich aus dem Staub der Arena aufrichtete und seine Klinge in das gleißende Licht der Sonne hielt. Der Stahl glänzte nur noch an einigen Stellen, denn das Blut seines Gegners lief an seinem lang gestreckten Arm hinunter. Erst als sein Schwert die Sonne förmlich durchbohrte, toste der Beifall um ihn herum auf. Die atemlose Stille war vorbei. Er war frei. Endlich!

Das Strahlen der Sonne wurde nur durch sein erschöpftes Lachen im Glanz übertroffen. Bunte Wimpel wehten, Jubel erfüllte die Arena, Stoffbahnen flogen durch die Luft. Der Beifall, der nur ihm galt, trug ihn förmlich die Ehrenrunde über den Kampfplatz. Wieder und wieder streckte er das Schwert in die Luft, triumphierte, genoss seinen Sieg. Sein Dominus erschien, ging auf ihn zu. Seine Miene war zu einer Fratze verzogen. Normalerweise würde er, der Unfreie, einen Schritt zurücktreten und hoffen, dass der Wutanfall für ihn ohne größere Blessuren vorbei ging. Doch dieses Mal blieb er stehen, blickte ihm fest entgegen. Nie wieder würde er vor ihm sein Knie beugen. Er war frei, denn er hatte gesiegt.

Sein Dominus würde der Öffentlichkeit jedoch nicht zeigen, wie sehr er sich eine Niederlage seines Sklaven gewünscht hatte. Ewig hätte der Gladiator seine Marionette in der Arena sein sollen, ewig hätte er seinen Namen im Kampfe hochgehalten, so wie er es bisher getan hatte. Doch nun war der Gladiator nicht mehr sein Eigentum. Er unterdrückte das Spucken in den Staub, griff widerwillig den Arm seines ehemaligen Sklaven und riss ihn in die Luft.

Abermals brandete der Jubel um ihn auf, ließ ihn wie auf einer Welle der Freude und der Glückseligkeit schweben. Ja, dies war sein Tag. Er hatte um seine Freiheit gekämpft und er war siegreich gewesen. Auch wenn niemand an ihn geglaubt hatte, außer ihr. Er hatte es jedoch allen gezeigt. Sein Volk war frei, würde es immer sein. Dafür hätte er sein Leben gegeben. Doch er hatte gesiegt. Er war frei.



***


Er durchtrat mit ihr am Arm die Tür. Es hieß zu feiern, es hieß sich hochleben zu lassen und genau das würde er nun tun. Sie hatte sich für ihn extra schön gemacht. Das Kleid tief ausgeschnitten, zeigte den sanften Schwung ihrer Brüste. Der leichte Stoff fühlte sich auf seiner noch erhitzten Haut wie der Flügelschlag eines Schmetterlings an. Bei Zeus, wie er diese Frau begehrte. Ihr junges, warmes und weiches Fleisch an seinem harten, trainierten Körper zu spüren, bereitete ihm größere Wonnen, als er jemals beschreiben könnte.

Lachend, eng umschlungen ließen sie sich auf dem großen Bett nieder. Er hatte für die ganze Nacht gezahlt und er hatte vor, die ganze Nacht immer wieder von ihr zu kosten. Seine Lippen berührten ihren Leib, den er langsam von dem störenden Stoff befreite. Ihr erwartungsvolles Seufzen erregte ihn sichtbar. Er würde lange brauchen, bis die Anspannung des Kampfes vollends verschwunden war. Sie wußte das, er wußte das. Ihm war es egal, denn schließlich war er ihr bester Kunde.

Ermattet sank er zurück in die Kissen. Sein Atem ging stoßweise und das erste Mal an diesem Tag fühlte er sich vollends entspannt. Sein Herz raste und sein Brustkorb hob und senkte sich im Takt seines galoppierenden Pulses. Sie hatte ihre Arbeit gut gemacht, wie so häufig. Entspannt schloss er die Augen und gab sich kurz der süßen Verlockung des Schlafes hin. Sie würde noch da sein, wenn er erwachte, denn er hatte sich diesen Kurzschlaf antrainiert. Kurz und doch erholsam. Und vor allem in der härtesten Schule des Lebens notwendig. Wer lange schlief, trainierte nicht genug und lebte nicht lang.

Als er die Augen wieder öffnete, streckte er sich und sah sie ihm Schein des Kamins sitzen. In ihrer Hand einen Kelch Rotwein schwenkend, blickte sie auf, als sie seiner Bewegung gewahr wurde. Ihr einladendes Lächeln lockte ihn aus dem Bett und nackt, wie Zeus ihn geschaffen hatte, ging er durch den Raum. Sie schenkte ihm einen Kelch Wein ein und beugte sich verführerisch vor, als sie ihm den Kelch reichte. Ihre Brust streifte seinen Arm und ein sehr männliches, wissendes Lächeln war seine Antwort. Doch sie würde warten müssen. Er hatte Durst. Durst nach dem Leben und Durst nach der Freiheit. So hob er den Kelch und trank von der Kostbarkeit in vollen Zügen, während ihre musternden Blicke auf ihm ruhten. Herr, Dein Name ist Glückseligkeit. Herr, Dein Name ist Freiheit.



***


Leise öffnete sich die Tür zu seinem Zimmer. Nur das Rascheln ihrer Kleidung verriet ihr Eintreten, als sie vorsichtig und bedächtig die Tür abermals hinter sich schloss und den Schlüssel umdrehte. Kurz blieb sie an die Tür gelehnt stehen und hielt für einen Moment den Atem an. Sie hatte so lange auf diesen Augenblick gewartet, dass sie ihn nicht einfach verstreichen lassen wollte. Und doch konnte sie es nicht länger erwarten und trat an sein Bett. Er und sie lagen nackt, unschuldig wie Engel da und nur bei genauem Hinsehen konnte man die tiefen, gleichmäßigen Atemzüge beobachten. Mit einem Seufzen trat sie ans Bett, griff unter die Knie der Frau und den Kopf. Bedächtig, fast zärtlich zog sie die Frau, die so lange für sie gearbeitet und gute Dienste geleistet hatte, aus den weichen Kissen und ließ sie dann einfach auf den Boden gleiten. Ihr Interesse galt ihm, hatte ihm immer gegolten.

Den weiblichen Körper zu ihren Füßen nicht weiter beachtend, stieg sie darüber hinweg aufs Bett. Sie rutschte, ihren Rock ein Stück höher ziehend, zu ihm hinüber. Ihre Blicke wanderten über seinen Körper, der noch von einem leichten Schweißfilm überzogen war. Zaghaft wanderte ihre Hand über seinen vernarbten, jedoch gestählten Oberkörper und ein Seufzer des Entzückens entlockte sich ihr. Wie lange hatte sie auf diesen Moment gewartet? Wie oft schon hatte sie davon geträumt? Sie konnte es nicht sagen, geschweige denn zählen. Hier war er, bei ihr. Sie war bei ihm. Sie waren vereint und er würde nicht mehr über sie hinwegsehen. Mit einem glückseligen Lächeln begann sie sich ihrer Kleidung zu entledigen und das Kleid und ihre Unterkleidung achtlos vor das Bett auf die Frau zu werfen.

Sie wandte sich an die Waschschüssel und begann seinen männlichen Körper mit der Liebe zu waschen, die sie für ihn empfand. Sie wollte den Geruch der körperlichen Liebe dieser Frau von ihm abwaschen, sie wollte dass er rein war, wenn er mit ihr gänzlich vereint sein würde. Mit einem weichen Leinentuch tupfte sie die Wassertropfen von seinem Körper. Die Verzückung, die sie mittlerweile empfand, die Glückseligkeit ließ sie in einem Taumel des Frohsinns versinken. Mit dem Lächeln einer verliebten Frau auf den Lippen, verließ sie dann das Bett, ließ auch das Leinentuch achtlos auf den Boden sinken. Sie griff den Weinkelch und schenkte von der Karaffe nach. Sie prostete in Richtung Bett und trank dann ebenfalls von dem vergifteten Wein. Sie würden vereint sein. Endlich. Das Ziel ihrer schlaflosen Nächte zum Greifen nahe. Endlich. Endlich würden sie einander gehören; Ganz so wie es immer hätte sein sollen.

Nachdem sie den Kelch geleert hatte, trat sie zurück ans Bett und kuschelte sich in seine Armbeuge. Die Wirkung des Giftes trat zügig ein und sie spürte, wie ein Freudentaumel sie abermals erfasste und in einer Welle der Euphorie davontrug. Benebelt von seinem Duft und dem Wein ließ sie sich glücklich seufzend, an ihn geschmiegt einfach dahin gleiten. Das Gift würde sein übriges tun. Sein Atem war bereits sehr gleichmäßig und sie wußte, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten. Doch diese Zeit würde sie mit ihm genießen, weil es keine weitere Zukunft gab.

Als sie die Augen schloss und an den Weg dachte, den sie nun gemeinsam bestreiten würden, vernahm sie ein kurzes Stocken seines Atems. War es soweit? Würde er vorgehen? Doch er schien seine Kraft noch einmal zu bündeln und sich zu fangen. Langsam öffnete sich sein Mund. “Wirst Du mit mir in meine Heimat kommen, meine Schöne? Mit mir in die Freiheit?“, sprach er mit heiserer Stimme, während seine Hand ihre wohlgeformten Brüste streichelte. Ihr Blick wanderte zu seinem Gesicht und seine Augen schienen die ihren gefangen zu nehmen. Lag etwa in seinem Blick keinerlei Erstaunen, dass sie in seinen Armen lag und nicht die Hure? Bildete sie sich dies nur ein oder meinte er tatsächlich sie? War es das Gift, welches sie sich dieses wunderschöne, fast göttliche Bild ausmalen ließ? Hatten sich seine Lippen überhaupt bewegt?

Sie blinzelte, wurde sie bei genauerem Betrachten seiner Gesichtszüge von der einfallenden Sonne geblendet. Hatte sie nicht die Fensterläden geschlossen? Und doch war der Raum von dem strahlenden Licht des Feuerballs am Himmel hell erleuchtet. Die Welt brannte. Seine Lippen berührten sanft die ihren und sein Geschmack überwältigte sie. War das alles echt? Verließen sie ihre Sinne? Hatte er sie wirklich geküsst oder sie ihn? Wo war der Anfang und wo das Ende? Wo die Zukunft und wo die Vergangenheit? Ihre Gedanken zerfaserten. Mit einem leisen Seufzer entwich ihr Geist, um sich zu denen zu gesellen, die tot waren.

Seine Hand glitt unter ihre Knie und den Kopf. Er hob sie hoch, als wäre sie ein Federgewicht und sein Blick lag glücklich auf ihr. Freiheit.
Ihre Hand wanderte zitternd zu seinem Gesicht und strich ihm über die vernarbte Wange, die sein Gesicht so unvergleichlich schön machte. Freiheit.
Mit ihr auf dem Arm wandte er sich dem Licht zu und streckte den Rücken durch. Stolz erhobenen Hauptes und mit ihr auf dem Arm, ging er nun den Weg, den er immer gehen wollte. Freiheit.
[Bild: 6_rael1132.jpg]
Temperament ist ein vorzüglicher Diener, doch ein gefährlicher Herrscher.
04.05.2008, 20:46